Hamburg. Der Hamburger Pianist feierte sein 20. Bühnenjubiläum in der ausverkauften Laeiszhalle
Wenn man so hastig schreiben würde wie Joja Wendt Klavier spielt, dann wäre dieser Text jetzt fertig. Aber so schnell wie der Hamburger Pianist sind wenige, was sich auch am Donnerstag bei seinem ausverkauften Konzert in der Laeiszhalle zeigt.
Vor 20 Jahren ist Wendt hier das erste Mal aufgetreten, und damals wie heute macht er am liebsten das, was „musikpolizeilich verboten“ ist, wie Jan Hofer in einem „Tagesschau“-Intro vorwarnt. 150 Minuten lang springen und hüpfen seine Hände über die Tasten und durch die Stile von Klassik über Boogie Woogie und Jazz zu Pop und zurück. Dazu garniert er seine Show mit reichlich Döntjes, Witzen und Bühneneffekten. Klavier-Puristen, für die der Sekt in der Pause eines Chopin-Abends schon Wacken ist, würden an den Fluchttüren rütteln. Aber das weiß keiner besser als Wendt selbst.
Und wer weiß, wie viele Klavieranfänger er inspiriert, indem er ihnen zeigt, dass sich das Spielen von Rachmaninows Prélude cis-Moll und Entertainment nicht ausschließen. Er spielt das Stück mit einer Hilfsleiste, „weil Rachmaninow so große Pranken hatte. Diese Leiste gibt es auch in der Lang-Lang-Version“, ulkt er, das Publikum applaudiert auf den Schenkeln.
Es hat schon etwas von einer geselligen Kaffeefahrt an diesem Abend in der Laeiszhalle. Der Humor ist jovial und nie unter der Gürtellinie (Wendt sagt einmal „erotisch“, oh mein Gott!), das aktuelle Album „Jojas Klaviermusik“ wird ausgiebig angepriesen und Wendts Logo-Schriftzug auf der störanfälligen Videoleinwand erinnert an entkoffeinierten Bohnenkaffee. Auch wenn sein Programm deutlich belebender ist als schlapper Muckefuck.
Es geht kreuz und quer auf 88 Tasten durch die Welt, durch seine neuen Kompositionen wie „Panta Rhei“, „Helix“ und „Just Married“. Er interpretiert Vivaldis Presto-Teil aus den „Vier Jahreszeiten“ oder Rimski-Korsakows „Hummelflug“ ebenso souverän wie „What I’d Say“ von Ray Charles oder Art Tatums „The Shout“. Mit beleuchteten Knochenhandschuhen lässt er es im Theaternebel mit „Das Geisterhaus“ gruseln. Und der Applaus tost wie der Hamburger Regen, der in „Fulanga (Regenlied)“ liebevoll beschrieben wird.
Es wird noch geselliger: Mit Stefan Gwildis am Schlagzeug und Rolf Claussen an der Bass-Ukulele sind die Söhne Hamburgs vereint, exklusiv auf dieser Tour. Sie singen „Dynamit“, „Hör auf die Söhne“ und das angeblich erste Lied über eine Fischfachverkäuferin, „Kira Petersen“. War das nicht eigentlich „Carola Petersen“ von Torfrock 1977? Egal. Gwildis hat sich sogar breitschlagen lassen, das Duett „Something Stupid“ mit Natalia Klitschko auf Deutsch zu singen, aber dazu kann man nichts schreiben, ohne von Natalias Gatten Vitali eine Schelle zu kassieren.
Mit „Satisfaction“ und „Everybody Needs Somebody To Love“ steigt die Finalparty, die ganz piano mit „Eskimo“ endet. Die Hände des Publikums glühen, der Steinway-Flügel qualmt. Noch eine Verbeugung von Joja Wendt. Schnell, natürlich.