Schauspielerin Franziska Weisz ermittelt von Sonntag an als Partnerin vonWotan Wilke Möhring im Tatort des NDR.

„Vergiss das nicht!“ Das hatte sie sich fest vorgenommen. Diesen ganz besonderen Moment, in dem alles möglich ist. Die erste Szene am ersten Drehtag, der auch nach all den Jahren im Schauspielberuf immer noch ein Hauch Magie innewohnt. Magisch und verzaubert war der Aufschlag am Set von Franziska Weisz beim „Tatort“ allerdings nicht. Es ging gleich zur Sache: Autofahrt, sie am Steuer, der Kollege Wotan Wilke Möhring alias Kommissar Falke auf dem Beifahrersitz. Franziska Weisz zitterten die Knie: „Ich fahre gern und gut Auto. Aber in diesem Moment war ich total nervös und hab nur gedacht: Wenn mir jetzt die Rübe absäuft, fahre ich aus Scham sofort nach Hause“, erzählt sie. Lautes, warmes Lachen. Sich in ihrer Nähe wohlzufühlen fällt nicht schwer.

Franziska Weisz, 35 Jahre alt und in Wien geboren, ist die neue Partnerin von Wotan Wilke Möhring im „Tatort“ aus Norddeutschland. Eine Personalie, die natürlich viel mehr ist als nur ein neuer Rollenname. „Tatort“-Kommissarin ist ein Fernsehamt mit nationalem Auftrag, das geschätzte zwölf Millionen Fans bitte schön anständig ausgeführt wissen wollen. Und wer unter dem Etikett „Die Neue“ die Polizeimarke zückt, muss mit besonderer Aufmerksamkeit rechnen.

Weisz ist die Nachfolgerin von Petra Schmidt-Schaller, die die Krimireihe nach fünf Auftritten verlassen hat. Laut Gerüchten stand es mit der Chemie zwischen den Hauptdarstellern nicht zum Allerbesten. Dies scheint bei Möhring und Weisz kein Problem zu sein, wenn ein schneller, oberflächlicher Eindruck nicht ganz täuscht. Einträchtig sitzen sie in der Hotellobby, sie isst Kuchen, er fummelt am Handy herum und wirft immer wieder ein kurzes Lachen zu ihr hinüber; die Stimmung ist geradezu wohnzimmergemütlich. Privat kennengelernt haben sie sich beim Eisstockschießen. Sie habe alles verballert, er habe die verlorenen Punkte wieder wettgemacht, erzählt Weisz.

Ein Einstieg mit ordentlich Wumms

Im „Tatort: Zorn Gottes“ trifft Weisz dafür ganz ordentlich. In ihrer ersten Szene haut sie dem neuen Kollegen auf dem Flughafengang wenig sanft die Füße weg. Sie spielt Julia Grosz, die Kommissarin bei der Bundespolizeiinspektion und am Flughafen Hannover zuständig für die Sicherheitsüberwachung ist. So ein Einstieg hat natürlich ordentlich Wumms.

Und auch im weiteren Verlauf des Films wird schnell klar: Grosz ist nicht jene Art Assistentin, die wie ein Hündchen hinter dem Chef herwackelt und, wenn es gut läuft, mal die Wasserstandsmeldungen zum Fall zusammentragen darf. Diese Frau macht nicht viele Worte, sie ist zupackend und lässt Falkes Witzeleien gern ins Leere laufen. Sie ist eine Partnerin auf Augenhöhe – auch wenn sie gerade wenig Lust hat auf berufliche und private Partnerschaften. Grosz trägt ihre Erinnerungen aus einem Afghanistaneinsatz wie einen Schutzschild mit sich herum; wer ihrem Geheimnis zu nahe kommt, wird mit einsilbigen Antworten abserviert (Falke: „Können Sie auch noch etwas anderes sagen als ,nein‘?“). Was dann auch wieder ganz gut passt zu Falkes Pfeif-drauf-Attitüde und seinem momentanen Dasein auf der Ersatzbank des Lebens.

Verrätselte Frauenrollen, das kann man so sagen, sind eine Spezialität von Franziska Weisz. In Erinnerung geblieben ist vor allem ihre Darstellung in dem Drama „Kreuzweg“, das vor zwei Jahren im Wettbewerb der Berlinale gelaufen war. So unerbittlich, so böse hat man lange keine Mutterrolle mehr im Film gesehen. „Seither traut man mir auch eine gewisse Härte zu“, sagt Weisz. Und je weiter eine Rolle von ihr selbst entfernt sei, desto größer sei der Spaß. Schauspielen hat für Weisz immer auch mit Spielfreude und der Lust am Verkleiden zu tun – entstanden vielleicht in jahrelanger Präsenz auf der Bühne. Der Film setzte sich schließlich gegen das Theater durch. Weisz hat mit Ulrich Seidl und Jessica Hausner gedreht, den Königen des österreichischen Arthousekinos, und sie wurde kürzlich für eine Gastrolle in der preisüberschütteten US-Serie „Homeland“ besetzt.

Hamburger Özgür Yildirim führte Regie

„Das Team hat direkt vor meiner Haustür in Kreuzberg gedreht, ich habe wochenlang keinen Parkplatz gefunden. Da fand ich es nur gerecht, dass sie mich auch für eine Rolle besetzt haben“, sagt Weisz. Sie durfte mit Claire Danes drehen und bei aller Großartigkeit am Ende feststellen, dass es bei einem Dreh mit üppigem Millionenbudget am Ende auf dieselben Feinheiten ankommt wie beim Drei-Mann-Abschlussfilm an der Filmhochschule. Darauf nämlich, im richtigen Moment in der Lage zu sein, sein ganzes Können abzurufen. Der Unterschied: „Bei einer deutschen Produktion hat man keine elf Kostümdamen, von denen eine den ganzen Tag Blusen bügelt, die im Bild nicht zu sehen sind“, sagt Weisz.

„Zorn Gottes“ des begabten Hamburger Regisseurs Özgür Yildirim (Buch: Florian Oeller) ist ein nachdenklicher „Tatort“ über Syrien-Heimkehrer und Schleuserbanden, über Freundschaft und Familie in Zeiten des Terrors. Ein „Tatort“ mit nicht nur leise politischem Hintergrund, sondern eindringlicher, gegenwartsgetragener Botschaft. Der Fall wird nicht von unnötigem Privatballast an die Wand gedrängt; es reicht den Machern das zarte Aufeinander-Zubewegen der Außenseiter-Kommissare Falke und Grosz, um das Wesentliche über ihr stilles Einverständnis zu erzählen.

Auch wenn Franziska Weisz mit ihrem „Tatort“-Stammplatz im Krimi­olymp des deutschen Fernsehens angekommen ist – für sie ist das keine Selbstverständlichkeit. „Dieser Beruf besteht ja nicht nur aus Schauspielen, sondern auch aus zu Hause herumsitzen, warten und Angst haben, dass es nicht weitergeht“, sagt sie. Oft zahlt sich eine Rolle erst Jahre später aus, nicht selten warten nach einer künstlerischen Durststrecke gleich zwei Drehs auf einmal. „Es gibt keinen Rhythmus – jedenfalls keinen, den ich durchschaue. Meine Drehzeiten passieren in für mich undurchschaubaren Algorithmen“, beschreibt es Weisz. Wenn sie heute drehfrei hat, renoviert sie die Wohnung, lernt eine Sprache, sucht sich eine neue Sportart. Die guten Rollen finden dann schon den Weg zu ihr.

„Tatort: Zorn Gottes“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD