Hamburg. Bisher meist unerkannt und nun auch noch in Paartherapie: Christoph Tomanek hat heute in „Die Wunderübung“ Premiere in der Komödie Winterhude.

Ihn – unabsichtlich – zu übersehen ist leichter als ihn wiederzuerkennen. Auch ein Los eines Schauspielers. Dabei ist Christoph Tomanek in Hamburg kein Unbekannter. Seit 18 Jahren bereits spielt er hier Theater. Die Frage, auf welcher hiesigen Bühne er noch nicht gestanden hat, scheint schneller zu beantworten als umgekehrt. Christoph Tomanek sinniert kurz. „Alma Hoppes Lustspielhaus“, sagt er dann – und lächelt verschmitzt. Die braunen Augen leuchten.

Das Eppendorfer Kabarett-Theater liegt nur durch eine Brücke getrennt 70 Meter entfernt von der Komödie Winterhuder Fährhaus. In deren Foyer sitzt Tomanek jetzt mit leicht verschränkten Armen, wärmt sich in seiner Jacke, bis der vorzügliche Latte macchiato der Bar-eigenen Kaffeemaschine langsam, aber sicher eine wohlige Wirkung entfaltet. In Winterhude hat Tomanek an diesem Freitag gleich doppelt Premiere: In Daniel Glattauers Komödie „Die Wunderübung“ gibt er den gefühlskalten Ehemann Valentin, der mit seiner dominanten, äußerst redseligen Frau Joana, gespielt von Elisabeth Lanz (bekannt aus der ARD-Serie „Tierärztin Dr. Mertens“) einen Paartherapeuten (Peter Prager) aufsucht.

In der Hamburger Inszenierung ersetzt Tomanek als Valentin nun Götz Otto, der im Herbst im Berliner The­ater am Kurfürstendamm mitgewirkt hatte. Ergo jenen blonden Zweimeter-Hünen, der es 1997 im James-Bond-Film „Der Morgen stirbt nie“ als Handlanger des Bösen zu internationaler Bekanntheit gebracht hatte. „Ich bin sicherlich ein etwas anderer Typ“, bemerkt Tomanek. Nett gesagt. Dieser vermeintliche Durchschnitts-Typ – knapp 1,80 Meter, Glatze, Mehrtage-Bart – war und ist ein Mann für den zweiten Blick, bisher für oft facettenreich gespielte Nebenrollen. Und für diesen Valentin müsse er jetzt seinen eigenen Weg finden, meint Tomanek.

Tomanek spielte neun Jahre lang als Gast am Thalia Theater

1998 hatte ihn der damalige Thalia-Intendant Jürgen Flimm vom Bremer Theater ins Ensemble nach Hamburg geholt. Nach dem Wechsel von Flimm zu Ulrich Khuon spielte Tomanek am Thalia Theater neun Jahre lang als Gast. Hamburg wurde für den gebürtigen Hannoveraner dennoch Heimat.

An Thalia-Rollen wie als Mechanical Man in Robert Wilsons und Lou Reeds legendärem Musiktheater-Projekt „POEtry“, als Rageanau in „Cyrano“ oder als Vater und zynischer Karriere-Journalist in „Letztes Territorium“ denkt Tomanek bis heute gern zurück, obwohl er sich als freischaffender Schauspieler auch anderen Häusern zuwandte: etwa mit Regisseur Thorsten Lensing in „King Lear“ und „Onkel Wanja“ Kampnagel oder in „Die Arabische Nacht“ dem Schauspielhaus, später dann auch Hamburgs renommiertesten Privatbühnen. Am Ernst Deutsch Theater gab er den Möbius in Dürrenmatts „Die Physiker“ oder bereitete als Agent Ben im Komödienklassiker „Sunny Boys“ die Pointen vor; am St. Pauli Theater agierte er an der Seite Hannelore Hogers im Yasmina-Reza-Stück „Ihre Version des Spiels“. Bei der Wiederaufnahme 2014 hatte Tomanek als Einspringer nur fünf Tage, sich Text und Habitus eines Provinzbürgermeisters („Eine Super-Rolle“) anzueignen. „Mit Frau Hoger war es ein sehr lustiges Arbeiten. Ich mochte sie, und sie mich zum Glück auch!“

Tomanek hat seine blaue Jacke inzwischen geöffnet. Sein hellblauer Schal, krawattenartig gebunden zu einer „Schlawatte“, wie Kabarettisten diesen Look auch nennen, korrespondiert mit einem rosafarbenen Hemd, sein Glas Latte macchiato hat er fast ausgetrunken. Er wirkt entspannt. Obwohl sein aktuelles Engagement bereits länger feststeht, bleiben ihm auch an der Komödie Winterhude nur wenige Tage, sich beim gemeinsamen Proben mit den beiden Kollegen in der Regie von Rüdiger Hentzschel mit der Rolle vertraut zu machen. „Das scheint eine Fähigkeit von mir zu sein“, nimmt Tomanek auch diese berufliche Begleiterscheinung mit Humor.

Aufwendiger als seine insgesamt dreijährige Arbeit in der Revue „Der Ghetto Swinger“ mit Helen Schneider in den Kammerspielen und im Harburger Theater kann es kaum werden. In der berührenden Revue über das Leben des Jazz-Musikers und KZ-Überlebenden Coco Schumann schlüpfte Tomanek in 18 verschiedene Rollen – vom Musiker Otto Sattler über einen Rottenführer bis zum berüchtigten KZ-Arzt Josef Mengele. „Ich hatte das Gefühl, dass sich fast das gesamte so genannte Dritte Reich in meiner Person vereint hatte“, sagt Tomanek mit fast sarkastischem Unterton. „Der Ghetto Swinger“ war jedoch mitsamt Kostümwechseln der komprimierte Beweis seines darstellerischen Potenzials.

Die Tatsache, dass er außer dem Mienen- auch das Violinenspiel beherrscht, habe ihm jenes Engagement erst verschafft, meint Tomanek. 13 Jahre lang hatte der aus einer Künstlerfamilie stammende Christoph als Junge Geigenunterricht, stand kurz davor, sich bei einem Konservatorium zu bewerben. Doch das Interesse für die Schauspielerei, mit der er schon in der Schule angefangen hatte, überwog. Die Ausbildung an der Berliner Hochschule Ernst Busch bildete die Basis seiner Laufbahn. Einer Karriere?

„Es gab zahlreiche Rückschläge, auch schon am Anfang“, erzählt Tomanek. „Wenn du die nicht überwindest, musst du gar nicht erst weitermachen.“ Als er vom Jahr 2000 an nicht mehr fest zum Thalia-Ensemble gehörte, hatte sich für den heute in Rotherbaum ansässigen dreifachen Familienvater mit ersten Fernseh- und Filmangeboten „ein weiterer Weg aufgetan“.

In der ARD-Serie „Heiter bis tödlich“ gibt er den Gerichtsmediziner Dr. Strahl

In mehr als 50 Produktionen, darunter „Tatort“ und „Polizeiruf 110“, hat Tomanek inzwischen mitgewirkt. Seit vier Jahren hat er in der ARD-Serie „Heiter bis tödlich: Morden im Norden“ als skurriler Gerichtsmediziner Dr. Strahl eine wiederkehrende (Neben-)Rolle. Das ZDF-Fernsehspiel „Der Sieger in dir“, das ihn 2012 in seiner bisher einzigen Filmhauptrolle zeigte, wurde bereits mehrmals wiederholt. Der 46-Jährige sieht es als Bestätigung seiner Arbeit. „Das war eine tolle Herausforderung, ein Psychospiel und ich darin das Mobbing-Opfer.“

So weit wird es in der Komödie Winterhude in „Die Wunderübung“ von Daniel Glattauer wohl nicht kommen. „Es geht hier nicht um Leben und Tod“, sagt Christoph Tomanek süffisant. Er nehme Rollen stets aus Neigung an. Heißt: „Ich brauche einen intuitiven Zugang zu den Rollen.“ Beim Autor Glattauer, der schon mit der E-Mail-Romanze „Gut gegen Nordwind“ einen Bestseller und komödiantischen Bühnenerfolg schrieb, sei das der Fall. Der Ehemann Valentin ist als technischer Direktor einer Flugzeugfirma zwar ganz anders gestrickt als die Künstlernatur Tomanek. „Valentin macht aber einen Wandel durch, er merkt es nur lange Zeit nicht.“

Der Schauspieler richtet die Schlawatte am Hals und zieht den Reißverschluss seiner Jacke zu. Über einem Stuhl im Foyer hängt eine weitere. Er streift auch diese über, um sich mit dem Umweg ins Freie zur Bühnenpartnerin Elisabeth Lanz ins Fährhaus-Café zu gesellen. Damit sie sich noch etwas annähern vor der allabendlichen theatralen Therapiesitzung. Auch für Christoph Tomanek, diesen vielschichtigen Künstler, ist es spannend, zu erleben, inwieweit er dabei männliche Verhaltensmuster und vielleicht doch ein wenig von sich selbst wiedererkennt. Und: „Die Wunderübung“ hat nur Hauptdarsteller.

„Die Wunderübung“ Premiere Fr 15.1., 19.30, bis 13.3., Komödie Winterhude (U Hudtwalckerstraße), Hudtwalckerstr. 13, Karten zu 17,50 bis 48,50 unter
T. 48 06 80 80; www.komoedie-hamburg.de