Hamburg. Das Museum für Kunst und Gewerbe hat den Altersdurchschnitt der Besucher auf 35 Jahre gesenkt. Ein Ausblick auf 2016

Das Leben ist voller Überraschungen. Auch für eine so erfahrene Museumsfrau wie Sabine Schulze, die das Museum für Kunst und Gewerbe leitet: Der Sensationserfolg des Jahres 2015 war die „Tattoo“- Schau, dicht gefolgt von der „Fast Fashion“-Ausstellung. Beide haben etwas bewirkt, woran sich andere Museumsdirektoren die Zähne ausbeißen, sie haben nämlich sehr viele junge Leute ins Haus geholt und den Altersdurchschnitt der Besucher auf rund 35 Jahre gesenkt. Außerdem haben die ebenso populären wie anspruchsvollen Ausstellungen rund 50 Prozent Menschen ins Museum gelockt, die nie zuvor am Steintorplatz gewesen sind.

Die Besucherzahl für das vergangene Jahr lag bei stolzen 241.269, etwas mehr als im Jahr davor. Die Eigen­finanzierungsquote wurde von 40 auf 42 Prozent gesteigert. „Wir werden ­allerdings mit der Kultur- und der Finanzbehörde reden müssen, weil wir auf der Grundlage des aktuellen Budgets künftig nicht mehr verlässlich wirtschaften können“, sagte Geschäftsführer Udo Goerke gestern.

Ob es nun ähnlich rasant weitergeht, wird sich am Jahresende erweisen, nicht alles lässt sich ähnlich tief gesellschaftlich verankern. Aber auch für dieses Jahr hat das rührige Kuratoren-Team allerhand frische Ideen umgesetzt: Die Ausstellung „Geniale Dilletanten“, dessen Titel absichtlich falsch geschrieben ist, wird am 23. Januar eröffnet und beleuchtet die frühen ­1980er-Jahre und deren provokant-
anarchisch musikalische Subkultur in Deutschland. Im Zentrum stehen acht Musikbands, außerdem Filmemacher, Designer und Künstler, veranschaulicht und hörbar gemacht in 250 Exponaten, Gemälden, Platten, Design­objekten, Fotos, Filmen, Magazinen und natürlich Soundstationen.

Die Einstürzenden Neubauten dürfen dann aus den Kopfhörern heraus mit ihren Metallsägen die Ohren strapazieren, die „Tödliche Doris“ von Neuem experimentell in alle Richtungen agieren, und die Ostberliner Punk-Truppe namens „Ornament und Verbrechen“ ihre frühe elektronische Musik aus der Versenkung holen.

Da man sich im Museum offensichtlich auf die Olympischen Spiele gefreut hat, ist das Programm für 2016 recht sportlich ausgefallen. Im Mai widmet sich die Design-Abteilung dem weit verbreiteten Phänomen der Sneakers, einem modischen Accessoire, das den Lederschuh, wie es scheint, mittlerweile überrundet hat.

Höchst spannend wird dann voraussichtlich vom 8. Juni an eine Ausstellung, die erstmals seit der Gründungszeit des Museums dessen umfangreiche Sammlung japanischer Farbholzschnitte präsentiert, darunter berühmte Meisterwerke von Hokusai, Utamaro und Hiroshige. Mit diesen Schätzen allein genügend Besucher hinter dem Ofen hervorzulocken, dürfte dennoch schwierig werden, also haben die Kuratoren Nora von Achenbach und Simon Klingler ein Konzept entwickelt, das darlegt, wie diese Holzschnitte die heutige Popkultur beeinflusst haben. Und dass Motive, Stilhaltung oder Erzählkultur in den beliebten Mangas, den Kleidungsvorlieben aus diversen Subkulturen und sogar in weit verbreiteten Konsumobjekten („Hello, Kitty“) weiterleben.

Plakativ wird es auch vom 8. September an, wenn in der Ausstellung „Keith Haring. Posters“ mehr als 100 Plakate des amerikanischen Künstlers gezeigt werden. Alle Objekte stammen aus der umfangreichen Plakatsammlung des Museums. Harings Plakate mit ihrem unverkennbaren Stil werden in der Schau ergänzt von Objekten, die der 1990 gestorbene Künstler in seinem New Yorker Pop Shop verkaufen ließ.

Ein bisschen wie bei den Sneakers, aber nicht so aufs Design konzentriert, ist von August an die eher soziologische Ausstellung „Sports/no sports“, in der es unter anderem um Emanzipation durch Sport und die Torpedierung jeglicher Dresscodes durch die Allgegenwart von Trainingsanzügen und Jogginghosen geht. Ein Foto von Fidel Castro, der Papst Franziskus in grellblauer Trainingsjacke empfängt, spricht Bände ... Und heute ist es sogar so, dass Haute-Couture-Häuser wie Chanel Sport-Attribute aufgreifen und Hersteller von Sportkleidung wiederum angesagte Modedesigner engagieren, um für sie zu entwerfen, zum Beispiel Yohji Yamamoto für Adidas.

Die Fotokuratorin des Hauses, Esther Ruelfs, hat nach ihrer Durchsicht der 75.000 im Museumsbesitz befindlichen Fotografien die Ausstellung „Re/Vision“ vorbereitet, die von Juli an einen ersten großen Überblick über diese Schätze gibt. Dabei spielen Por­träts, Architektur und Kulturdenkmäler sowie die Autonomiebestrebungen von Fotografen eine Rolle.

Weitere Informationen im Internet: www.mkg-hamburg.de