Hamburg. Die Deichtorhallen planen in allen drei Ausstellungsstätten ein attraktives Programm und schaffen wieder einen ausgeglichenen Haushalt.

Trotz der teilweisen Schließung der Halle für aktuelle Kunst war 2015 mit 200.000 Besuchern ein gutes Jahr für die Deichtorhallen – nicht zuletzt dank der „Triennale der Photographie“ und der Ausstellung „Picasso in der Kunst der Gegenwart“, die allein 52.000 Besucher anzog. Mit seinem kleinen, überaus engagierten Team hat das Haus nun zum fünften Mal eine „schwarze Null“ hingelegt und eine Eigenertragsquote von 60 bis 65 Prozent erwirtschaftet, das verkündete Geschäftsführer Bert Antonius Kaufmann bei der gestrigen Saison-Pressekonferenz. „Unser Hauptproblem ist das zu geringe Budget“, stellte Direktor Dirk Luckow fest. Springe kurzfristig ein Sponsor ab, falle auch die mit ihm geplante Ausstellung aus, wie kürzlich zum ersten Mal geschehen.

Statt der „Volume“-Ausstellung von Max Dax, die die Wechselwirkung zwischen Kunst und Popmusik thematisiert hätte, konnte das Ausstellungshaus nun glücklicherweise die wertvolle Sammlung Viehof hierherholen.

Trotz finanzieller Unwägbarkeiten planen Hamburgs eindrucksvollste Ausstellungshallen und die Sammlung Falckenberg für dieses Jahr wieder ein attraktives Programm, das von der Gegenwart bis in die Nachkriegs-Moderne reicht. Den Anfang macht vom 28. Februar an eine große Retrospektive des US-Künstlers Raymond Pettibon in der Sammlung Falckenberg, 1000 Werke aus 40 Jahren Beschäftigung mit Punk, Comic, Subkultur und Gesellschaftskritik. Der „homo americanus“ mit buntem Irokesen „in seiner selbstzerstörerischen Gier“ (Luckow) bildet den Dreh- und Angelpunkt.

Dem amerikanischen Fotografen Ken Schles gelang im New Yorker Limelight-Club
diese depressiv-realistische
Momentaufnahme
Dem amerikanischen Fotografen Ken Schles gelang im New Yorker Limelight-Club diese depressiv-realistische Momentaufnahme © Ken Schles

Es folgt das kontinuierlich gut besuchte Haus der Photographie zunächst mit junger deutscher Fotografie unter dem eingeführten Titel „Gute Aussichten“ (4.3.–17.4.). Am 5. Mai startet dann eine Dreier-Ausstellung: Die Fotografen Ken Schles, Jeffrey Silverthorne und Miron Zownir fingen als radikale, vom „Milieu“ und von Randgruppen magisch angezogene Außenseiter an. Mit ihrer manchmal intimen, malerischen, aber auch brutalen Bildsprache gelten sie heute als Kult.

Zum Start des zweiten Musikfestes hat sich die Staatsoper für drei Tage (21./23./24.4.) in den Deichtorhallen eingemietet, um dort einen Musiktheater-Abend des italienischen Theater-Avantgardisten Romeo Castellucci zu realisieren: Bachs Matthäus-Passion, gesungen von internationalen Solisten wie Ian Bostridge, mit 40 Darstellern, 100 Komparsen und 100 Musikern.

Der Künstler und HfbK-Professor Andreas Slominski bekommt ab 14. Mai die Halle für aktuelle Kunst, um sich dort solo auszutoben. In Vorbereitung ist eine riesige Installation, die ähnlich provokant wirken dürfte wie Marcel Duchamps 1917 in New York ausgestelltes Pissoir. Slominski wird 200 Plastik-Klohäuschen gruppieren, sie umgestalten, an die Wand hängen und weiteres anstellen mit diesen, laut Kurator Dirk Luckow, „Objekten einer mephistophelischen Sicht auf die Welt“.

Peter Keetman sah immer abstrakt: „Rohre“,
1958
Peter Keetman sah immer abstrakt: „Rohre“, 1958 © Estate Peter Keetman

Nach „Visual Leader“, der traditionellen Leistungsschau der Medien, (26.8.–30.10.), folgt ein Doppelschlag in der Sammlung Falckenberg und der Halle für aktuelle Kunst, die einem Coup gleicht: In beiden Häusern wird die phänomenale Sammlung der vier Mönchengladbacher Unternehmer-Brüder Viehof präsentiert, die die wertvollen Sammlungen Speck und Rheingold integriert – zusammen fast 1000 Werke mehrheitlich berühmter Künstler von den 1960er-Jahren bis heute, aus Malerei, Zeichnung, Fotografie, Skulptur, Installation und Video, von Beuys, Kippenberger, Baselitz über Neo Rauch bis zu Thomas Struth. Kurator Luckow plant, Künstler wie Daniel Richter einzuladen, die ihre eigenen Werke selbst hängen. So könnte die Schau doppelt überraschend werden.

Zum 90. Geburtstag von F. C. Gundlach bereitet das Haus der Photographie für den 18.11. gleich zwei Ausstellungen vor: 70 Fotos von Irving Penn, der die schlichte Eleganz so gekonnt zelebrierte, außerdem eine Retrospektive zum 100. Geburtstag von Peter Keetman, den Gundlach ebenfalls sehr schätzt und früh gesammelt hat.

Glücklicherweise hat die Stadt inzwischen die Chance erkannt, die die „Triennale der Photographie“ für Hamburgs internationales Renommee bietet. Ein kleines Team soll demnächst die Arbeit aufnehmen, am Konzept für 2018 wird bereits gearbeitet. Auch der Kurator Krzysztof Candrowicz wird wieder dabei sein.

Infos: www.deichtorhallen.de