Darmstadt.

So mancher Jugendliche hat wohl schon Abertausende Kurznachrichten verschickt – aber keinen einzigen Brief geschrieben. Handgeschriebene Briefe sind binnen weniger Jahrzehnte zur Seltenheit geworden. Einen Blick zurück auf ihre Geschichte und ihre Bedeutung wirft der britische Journalist Simon Garfield in seinem wundervollen Buch „Briefe!“ (Theiss Verlag, 539 S., 29,95 Euro). Es steckt voller Beispiele und amüsanter Anekdoten, und die spürbare Begeisterung ist ansteckend. Das Buch ist selbst ein Brief: ein Liebesbrief.

„Briefe haben die Macht, unser Leben zu erweitern. Sie enthüllen Motive und vertiefen das Verständnis. Sie sind Beweisstücke. Sie ändern Lebensläufe und schreiben die Geschichte um“, schreibt Garfield. Erhalten gebliebene Schriftstücke verrieten viel über die Geschichte und die Menschen, die sie prägten. „Wir bekommen Napoleons Verwirrtheit zu fassen, Tolkiens Bescheidenheit, Einsteins wohldosierte Nostalgie und Hemingways Antisemitismus.“

Das Buch enthält viele Beispiele besonders scharfzüngiger und unterhaltsamer Briefeschreiber wie Oscar Wilde (der sie frankiert einfach zum Fenster hinauswarf) – und das Gegenteil: Viele Briefe der Schriftstellerin Jane Austen etwa seien in verblüffendem Maße „stinklangweilig“. Erwähnt wird auch ein Brief Ciceros an Atticus über einen Besuch Caesars: „Was für ein unsympathischer Gast!“