Hamburg. Armin Smailovic und Branko Šimic bringen Verbrechen von Srebrenica ins Thalia Theater

Für manche gehört Armin Smailovic fast schon zum Ensem­ble des Thalia Theaters. Von Beginn der Intendanz Lux an, seit 2009, ist er an Bord. Seine sichtbar der Ästhetik der Dokumentation und Reportage verpflichteten Fotografien und -porträts zieren die Spielzeit- und Programmhefte. An diesem Morgen rollt er ganz in Schwarz, Sonnenbrille auf den angestrengten Augen, eine gewisse Gainsbourg-Lässigkeit verbreitend, seinen Fotokoffer in die Garage der Gaußstraße. Heute fotografiert er nicht. „Srebrenica – I counted my remaining life in seconds ...“ nennen Smailovic und der Regisseur Branko Šimic ihr Projekt, das an diesem Donnerstag unter anderem mit Jens Harzer in der Gaußstraße zur Uraufführung kommt. Beide haben Wurzeln in Bosnien und Herzegowina. Dort in den Ausläufern des Balkankrieges wurde Srebrenica 1995 Schauplatz des größten Kriegsverbrechens in Europa nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Bosnische Serben töteten 8000 Männer innerhalb von fünf Tagen mitten in der Uno-Schutzzone.

Der in Deutschland aufgewachsene Smailovic war damals frisch in München diplomiert, reiste mit dem damaligen „Bild“-Chefreporter in die Region und hielt das Grauen mit der Kamera fest, bis er es nicht mehr ertrug. Politisch naiv sei er gewesen, damals, so sagt er. „Ich glaube, dass dort in diesen entscheidenden Momenten Ende des 20. Jahrhunderts mit dem Fall der Mauer, dem Krieg mitten in Europa der Grundstein gelegt wurde für einen neuen Nationalismus, mit dem wir uns noch lange auseinandersetzen müssen“, so Smailovic. „Schon damals spielte die Uneinigkeit Europas eine Rolle. Auch die Ohnmacht der Vereinten Nationen wurde mehr als deutlich.“

In den Folgejahren hat Smailovic Tausende von Fotografien und Interviews mit Zeitzeugen angefertigt. Mithilfe seiner Bilddokumente gelangen drei Biografien exemplarisch auf die Bühne: ein Überlebender, inzwischen Hauptzeuge vor dem Den Haager Tribunal, ein Täter, damals bosnisch-serbischer Soldat und ein holländischer Uno-Soldat. Smailovic und Šimic kreieren daraus eine Text-Bild-Collage, in der es um die persönliche Identität genauso geht wie um die des Staates. „Die ethnische Verschiedenheit auf dem Territorium Jugoslawiens war mir damals nicht bewusst. Jugoslawien war ein künstliches Staatengebilde, Bosnien-Herzegowina nicht. Auch die Multireligiosität und Multinationalität beruhen dort auf jahrhundertelanger Tradition“, sagt Armin Smailovic. „Es sind die künstlichen Gebilde mit künstlichen Grenzen, die sich in den heutigen Konflikten umso stärker widerspiegeln.“ Bekannt wurde der vielfach ausgezeichnete Smailovic ebenso mit Por­träts von Politikern und Rennfahrern. Er lebt in München und Sarajewo, doch anzutreffen ist er dort kaum, da er 200 Tage im Jahr mit dem Fotokoffer um die Welt reist. Und immer wieder beim Thalia vorbeischaut. „Da ist keine Tür zu und kein Platz falsch. Ich brauche Bewegungsfreiheit Dieses Vertrauen genieße ich seit Anfang an, bis heute.“

„Srebrenica – I counted my remaining life in seconds ...“ Uraufführung 3.12., 20.00 (ausverkauft), weitere Termine 7., 9., 30.12., jew. 20.00, Karten zu 22,- unter T. 32 81 44 44