Hamburg. Das Museum am Holstenwall zeigt in „Hamburg ins Gesicht geschaut“, der Gemeinschaftsausstellung der Stiftung Historische Museen, Porträts aus fünf Jahrhunderten
„Wir konnten aus dem Vollen schöpfen, immerhin haben wir mehr als 60.000 Porträts aus fünf Jahrhunderten in unseren Beständen“, sagte Börries von Notz, der Alleinvorstand der Stiftung Historische Museen Hamburg, zur Eröffnung einer außergewöhnlichen Ausstellung, die im Hamburg Museum gezeigt wird, aber auch Bilder aus dem Altonaer Museum und dem Museum der Arbeit umfasst. „Hamburg ins Gesicht geschaut“ zeigt ausschließlich das Antlitz von Menschen aus Hamburg, allerdings in einer bislang beispiellosen Vielfalt. Zu sehen sind Ölgemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Fotografien, aber auch Scherenschnitte, Büsten und sogar Totenmasken, insgesamt 382 Objekte, auf denen 600 bis 650 Personen abgebildet sind. Dabei handelt es sich um bedeutenden Persönlichkeiten, um Politiker, Bürgermeister, Senatoren, namhafte hanseatische Kaufleute, um Musiker, Künstler und Dichter, aber ebenso um Arbeiter und Sekretärinnen, um Schausteller und auch Menschen, die straffällig geworden sind.
Die Kuratoren Ortwin Pelc (Hamburg Museum), Verena Fink (Altonaer Museum) und Jürgen Bönig (Museum der Arbeit) haben ihrer Auswahl die folgenden drei Kriterien zugrundegelegt: Erstens muss jede Person einen Bezug zu Hamburg haben, zweitens muss sich das Bild in der Sammlung der Stiftung Historische Museen Hamburg befinden, und drittens wurden nur Menschen berücksichtigt, die nicht mehr am Leben sind.
„Darüber hinaus ging es uns darum, möglichst viele Bilder zu zeigen, die sonst selten oder auch noch nie in Ausstellungen oder Publikationen zu sehen waren“, sagt Pelc. Zudem haben sich die Kuratoren um möglichst viele biografischen Informationen zu den einzelnen Bildern bemüht. Da es mit einem konventionellen Ausstellungskonzept kaum möglich wäre, Hunderte von Bildnissen mit entsprechend ausführlichen Textinformationen auf 500 Quadratmetern zu präsentieren, entschieden sich die Macher für einen radikal anderen Weg: So begegnen dem Besucher Hunderte von Bildern vor farbigem Hintergrund in einer eigenen Rauminstallation, jedoch ohne jede Beschriftung.
Man fühlt sich also quasi umstellt von Gesichtern, die aus ganz unterschiedlichen Zeiten stammen und ihre Identität zunächst nicht preisgeben. Wer ist der kleine Junge, der auf einem Ölgemälde, das stilistisch aus dem frühen 20. Jahrhundert stammen dürfte, am Tisch spielend dargestellt ist? Oder um wen handelt es sich bei dem stattlichen Mann in roter Uniform und goldenen Epauletten, der uns mit prüfendem Blick aus einem Stuckrahmen anblickt?
Um das zu erfahren, stehen den Besuchern webbasierte Medienanwendungen zur Verfügung: Auf den im Ausstellungsraum vorhandenen Touchscreens findet man das Schema der Hängung wieder und kann dort die einzelnen Motive als hochauflösende Bilder anklicken. Außerdem sind dort eine Fülle von Informationen sowohl zu den porträtierten Personen als auch zu den Künstlern sowie Verweise auf etwa 700 weitere vergleichbare Bilder hinterlegt. Faszinierend ist die Möglichkeit, die Bilder so großzuziehen, dass die Textur der Leinwand oder auch noch kleinste Details auf historischen Fotografien gut sichtbar werden. Weniger medienaffinen Besuchern steht allerdings auch ein Saalheft mit entsprechenden Informationen zu den einzelnen Werken zur Verfügung. Einen dritten Zugang eröffnet das Begleitbuch, das nicht nur Informationen zu den einzelnen Bildern bietet, sondern auch Aufsätze zu den Themenbereichen, nach denen diese in der Ausstellung gegliedert sind.
Dabei geht es zum Beispiel um „Kinder und Jugend“, „Partner und Paare“, „Familienporträts“, „Berufe und Berufungen“, „Gesichter der Herrschaft“, „Ereignisse im Porträt“, aber auch um heute befremdlich anmutende Bereiche wie „Erzwungene Porträts“. Dabei handelt es sich zum Beispiel um erkennungsdienstliche Fotos, die die Hamburger Polizei schon Ende des 19. Jahrhunderts entweder vor Gefängnismauern oder auf ihren Wachen aufnehmen ließ. „Der Kriminelle sollte ohne Beschönigung im vorgefundenen Zustand abgelichtet werden“, heißt es im Katalog zu den Bildern, die in ihrer frontalen Direktheit vielfach verstörend anmuten. Umso wichtiger sind die vielen biografischen, historischen und kulturgeschichtlichen Hintergrundinfomationen, die sich im Katalog, auf dem Touchscreen aber auch in einer App finden, die die Besucher kostenlos herunterladen können.
Hamburg ins Gesicht geschaut. Porträts aus fünf Jahrhunderten. Hamburg Museum. (Holstenwall 24), bis 22.5. 2016, Di–Sa, 10.00–17.00, So bis 18.00 Informationen: www.hamburgmuseum.de