Hamburg. Die Hamburger Symphoniker präsentierten den Dirigenten und Pianisten als Solisten und Gastredner
Aus dem soll mal einer schlau werden. Wer Daniel Barenboims letzten Auftritt als Pianist in Hamburg erlebt hatte, der mochte an einen Anfall von Größenwahn glauben, wenn er das Programm las, dass der rastlose Musik-Allrounder sich für sein Gastspiel bei den Hamburger Symphonikern vorgenommen hatte: War er seinerzeit schon über die technischen Hürden einiger Schubert-Sonaten gestolpert, sollten es nun an einem Abend Beethovens drittes und Brahms’ monumentales zweites Klavierkonzert sein. Selbst für hauptberufliche Pianisten, die Finger und Synapsen topfit halten, wäre das eine Herausforderung. Der viel beschäftigte Opernchef, Dirigent, Akademie- und Orchestergründer aber steht nicht in dem Ruf, noch viel zu üben.
Doch offenbar ist ein Barenboim immer für eine Überraschung gut. Vor seiner Leistung am Donnerstag in der Laeiszhalle muss jedenfalls auch der Skeptiker seinen Hut ziehen. Denn ausgerechnet dort, wo die technischen Herausforderungen am größten sind, bei Brahms, lief Barenboim zu voller Form auf. In dieser Klavierkammermusik von symphonischen Ausmaßen, wo der Solist ins Orchester eingebunden ist, mit dessen Klang verschmilzt und ihn grundiert, war Barenboim in seinem Element. Wer bis dahin zunächst skeptisch und dann überrascht gewesen war, hatte spätestens im dritten Satz Anlass, wahrhaft bewegt zu sein, von dem, was Barenboim und den Symphonikern unter Leitung von Guy Braunstein an beseeltem Musizieren gelang.
Anlass zur Neugierde bot dabei Barenboims Instrument; er probierte an diesem Abend das erste Mal seinen neuen Flügel, Marke „Barenboim“, zusammen mit Orchester aus. Dass dessen Saiten nicht über Kreuz gespannt sind, soll dem Klang des teuren Stücks mehr Transparenz verleihen. In Beethovens Konzert wirkte der Anschlag allerdings recht hart und der Ton nüchtern. Was wohl mehr an Barenboim als am „Barenboim“ gelegen haben wird. Denn im wunderbaren Solo des dritten Satzes von Brahms bewies derselbe Pianist auf demselben Instrument, dass auch Farbenzauber und Poesie bei Bedarf möglich sind. Es bleibt dabei: Leicht, ihn zu fassen und ihm gerecht zu werden, macht es Barenboim einem wirklich nicht.
Wer einen näheren Eindruck vom Menschen Daniel Barenboim gewinnen wollte, der hatte dazu am Vortag des Konzerts bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Musikstadt Hamburg“ Gelegenheit. Wirklich klüger wurde man aus dieser Diskussion allerdings nicht. Zum einen, weil Bernd Loebe von der Oper Frankfurt zu viel (von sich) und der kluge Roger Wright vom Aldeburgh-Festival zu wenig redeten. Zum anderen, weil Grandseigneur Barenboim erzählte, was er auch in Interviews wortgleich schon zum Besten gegeben hatte: Es mangele an früher musikalischer Bildung und an der Kunst des Zuhörens. Eine Ahnung von dem, was diesen Künstler innerlich umtreibt, erhaschte man immer dort, wo er auf das Verhältnis von Musik und Leben und das große Ganze zu sprechen kam. Wahrscheinlich ist es gerade dieser Panoramablick vom Feldherrenhügel herab, der in Barenboims großen Wagnissen und kleinen Schludrigkeiten zum Ausdruck kommt.