Hamburg. Die ESC-Siegerin von 2010 präsentierte vor 800 Fans im ausverkauften Gruenspan die Lieder ihres vierten und besten Albums „Crystal Sky“
Als Lena Meyer-Landrut im Februar 2010 in der ESC-Castingshow „Unser Star für Oslo“ auf die Bühne kam und Adeles „My Same“ sang, wirkte sie wie ein kleines Mädchen, das in den zu großen Schuhen ihrer Mutter vor dem Spiegel stakst. Niedlich war das, so mit 18. Und das Mädchen aus Hannover gewann die Show, gewann den Eurovision Song Contest in Oslo, machte ein Jahr später eine gute Figur beim nächsten Grand Prix in Düsseldorf und begann nicht wenige zu nerven. Auch sich selber.
Überdrehte TV-Auftritte, mediale Omnipräsenz, „das ist immer wieder ein Geduldsspiel mit mir selber“, sagte Lena später in der Rückschau im Abendblatt-Interview. Aber so kurz fünf Jahre erscheinen mögen, für die jetzt 24 Jahre alte Sängerin war es Ewigkeit genug, sich zu etablieren, zu emanzipieren und zu entwickeln. Die Lena, die am Donnerstag auf der Bühne im ausverkauften Gruenspan steht, ist nicht mehr der „Satellite“ piepsende Teenager von Oslo. Gut so.
Der Rummel um ihre Person hat sich gelegt, die Zeit permanenter kritischer Beobachtung, des Auf-die-Goldwaage-Legens ihrer Sprüche, ist vorbei. Und die 800 Fans im Gruenspan, zumeist entweder älter als 40 oder jünger als 20, sind die Treuesten der Treuen. Schon bevor Lena den Abend am Schlagzeug mit einer Einlage des White-Stripes-Johlers „Seven Nation Army“ beginnt, tosen Applaus und Sprechchöre, werden Leuchtbänder geschwenkt. „Beat To My Melody“ und „Keep On Living“ zeigen gleich an, wo an diesem Abend der Schwerpunkt liegt: auf ihrem aktuellen, vierten Album „Crystal Sky“. Es ist das elektronischste, aber dennoch musikalisch beste und interessanteste ihrer Alben. Dynamische Beats, eingängige Melodien, schillernde Effekte und wohltuend ausgebremster Gesang klingen mehr nach London oder zumindest Berlin als nach Hannover – irgendwo zwischen ihrem erklärten Vorbild Ellie Goulding und MIA.
Das kommt an im Gruenspan, und schon nach dem vierten Lied „ASAP“ läuft Lena die Suppe runter. „Unfassbar heiß hier, ich schwitze wie ein Schwein“, ruft die gute alte Zu-viel-Information-Lena und zieht das Bühnenselfie mit Fans im Hintergrund vor, weil sie Angst hat, am Ende „zu zerstört“ auszusehen. Vielleicht nimmt sie deshalb auch nach dem gelungenen Sam-Smith-Cover „Stay With Me“ und „Sleep Now“ eine Mütze Schlaf, um durchzuatmen, jedenfalls überlässt sie überwiegend ihrer Backgroundsängerin das Mikro für den Jazz-Standard „Cry Me A River“, der auch ohne Lena manche Besucher sichtlich rührt.
Vielleicht ist ihr Sternenstaub wie in ihrem starken Song „Stardust“ verflogen, dafür ist sie nun „Wild & Free“, wie es nach 100 Minuten in der letzten Zugabe heißt. Sie kann machen, was sie will. Wobei sie natürlich immer ESC-Lena bleiben wird. Aber damit mussten sogar ABBA und Céline Dion leben.