Hamburg. Khatia Buniatishvili stellte in der Laeiszhalle manchmal das Klavierspielen über die Musik

Wer der Pianistin Khatia Buniatishvili bei der Arbeit zusieht, den beschleicht bisweilen das Gefühl, dass sie das Klavierspielen mehr liebt als die Musik selbst. Denn was den rein sportlichen Aspekt dieser Kunst angeht, sucht die junge Georgierin ihresgleichen. Keine der Elogen über ihre phänomenale Virtuosität ist übertrieben. So war denn auch das Programm, mit dem sie in der Laeiszhalle gastierte, eine Sammlung von Stücken, die für ihre horrenden Anforderungen berüchtigt sind: Ravels „Gaspard de la nuit“; einige Etüden, die „Réminiscences de Don Juan“, der „Grand galop chromatique“ und die „Ungarische Rhapsodie Nr. 2“ von Franz Liszt sowie jene drei Sätze aus Strawinskys „Petruschka“, die selbst deren Widmungsträger Arthur Rubinstein nur in einer entschärften Fassung zu spielen wagte.

All dies spielt die Buniatishvili hintereinander weg, ohne auch nur ins Schwitzen zu kommen. Doch hat die reine Lust am Manuellen ihre Kehrseite: Schon in Ravels „Ondine“ verschwand die Hauptsache, eine an- und abschwellende melodische Linie in der linken Hand, allzu oft in der Flut flirrender 32tel-Noten. Hier überspülte das virtuose Beiwerk den musikalischen Sinn. Strawinskys „Petruschka“ erging es ähnlich. In Maurizio Pollinis ebenso stupender wie planvoller Lesart etwa kann man hören, wie formale Blöcke aneinandergefügt sind, und dass selbst dort, wo der Komponist die Musik in drei Systemen übereinander türmt, noch ein thematischer roter Faden durchs Geschehen führt. Bei der Buniatishvili blieb von all dem häufig nur die schiere Akrobatik.

Gern hätte man mehr von der ruhigen Seite ihrer Kunst gehört

Zwei Stunden lang solch virtuose Höchstleistungen aneinanderzureihen, macht Khatia Buniatishvili so leicht keiner nach; aus gutem Grund, denn schließlich erschöpft sich selbst dieser Reiz, dann perlen Liszts brillant gespielte chromatische Skalen zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Dabei kann die passionierte Tastenlöwin auch anders. Doch wem der Sinn mehr nach Zuhören als nach Überrumpelung stand, der musste bis zum langsamen, nicht virtuosen Teil von Liszts „Ungarischer Rhapsodie“ oder Chopins „Prelude e-Moll“ als Zugabe warten, um zu erleben, dass sie auch aus wenigen Noten viel machen kann. Bei Liszts „Lassu“ jedenfalls lag der Reiz mehr im gespannten Verzögern, weniger im Abfeuern allzu vieler Noten.

Gern hätte man mehr von dieser Seite ihrer Kunst gehört; vermutlich hätte ein wenig Reduktion ab und an den Effekt ihres pianistischen Overkills sogar erheblich gesteigert. Denn beweisen muss Khatia Buniatishvili sich und ihrem Publikum eigentlich nichts mehr – außer vielleicht, dass sie auch ­Mozarts „Sonata facile“ zu gestalten versteht.