Lübeck. Lübecks Theater geht mit einem unklaren „Fidelio“ in die Spielzeit

Die Letzten, die Beethovens „Fidelio“ szenisch nicht in den Griff bekamen, waren die Salzburger Festspiele; dort bediente sich Claus Guth optisch bei eigenen Bühnenbildern und gab dem aufs Politische zielende Utopie-Gedanken eher eine Nebenrolle. Das Theater Lübeck war bei seinem Saisonstart am Sonntag also in guter Gesellschaft.

Dabei fing das alles dort vielversprechend an, nahm man den wohl urlaubs­endebedingt verstolperten Ouvertüren-Einstieg des Orchesters im ersten Akt heraus. Regisseurin Waltraud Lehner hatte sich vorgenommen, dicht an der Vorlage zu bleiben und dennoch nicht nur zu illustrieren. Sie platzierte den Kerker, in dem auch der politische Gefangene Florestan durch die Beschallung mit E-Gitarrengewimmer gefoltert wurde, in ein Wüsten-Guantanamo mit Camping-Mobiliar. Das Wachpersonal vertrieb sich die Zeit mit lahmem Abhängen und routiniertem Häftlingsscheuchen, während ihr noch übellaunigerer Chef Don Pizarro nicht anwesend war. Ein großer Zaun, ein Zelt, das später zum Kerker-Keller mutierte, mehr war zunächst nicht an Andeutung vorhanden. Mehr musste ja eigentlich auch nicht sein. Denn das Ambiente war abschreckend genug, um der Geschichte über „Fidelio“ alias Leonore, eine Frau, die ihren Mann um jeden Preis retten will, ihre Erzählperspektive zu geben.

In dieser Rolle blühte die kanadische Sopranistin Yannick-Muriel Noah derart erfreulich auf, dass es die Mittelprächtigkeit des restlichen Ensembles zwar nicht vergessen ließ, aber immerhin dafür sorgte, dass es jemanden gab, auf dessen stimmliche Präsenz man sich ohne Wenn und Aber freuen konnte. Wenn Jean-Noël Briend seinen ersten Einsatz, jenes, „Gott, welch Dunkel hier“ so gesungen hätte, dass man die existenzielle Verzweiflung wenigstens ansatzweise vernommen hätte, wäre es schöner gewesen. Aber auch die meisten anderen beließen es beim Liefern ihrer Rollen. Die Bad Guys mühten sich vor allem sehr, wie sehr redliche Bad Guys zu wirken.

Im zweiten Akt hatte Lehner ihre Regie-Arbeit weitgehend eingestellt, während Generalmusikdirektor Ryusuke Numajri mehr und mehr das Stück für sich entdeckte. Nach der Selbstenttarnung Leonores – die zwischenzeitlich Pizarro ersticht, was ihn aber nicht am Weitersingen hindert – und Florestans Entfesslung passierte nichts mehr, was man Personenführung hätte nennen dürfen. Die Solisten parkten sich wie fürs Abifeier-Foto an der Rampe, der Chor kräftig ausholend dahinter, der Rest erschöpfte sich und die Zuschauer im Absingen des Finales. Arg wenig für einen Abend, der eigentlich eine ganze Oper zeigen und nicht nur streckenweise Musik bieten wollte.

„Fidelio“ weitere Termine: 20.9., 11./23./31.10., 8./19.11., 4./25.12. , Theater Lübeck, Karten von
12,- bis 51,- unter www.theaterluebeck.de