Hamburg. Die Salzburger Festspiele beginnen, bald startet Bayreuth. Bei beiden Prestige-Festivals ist 2015 Luft nach oben

In Salzburg trägt Brigitte Hobmeier als Buhlschaft im „Jedermann“ heuer ein neues Kleid mit 5000 Swarovski-Kristallen, und in Bayreuth kann sich Christian Thielemann, demonstrativ zum „Musikdirektor“ ernannt, über sein Stab-Chef-Parkplatz-Schild an der Rückseite des Festspielhauses freuen. So in etwa lässt sich die Wichtigkeits-Flughöhe der Vorabmeldungen zusammenfassen, mit denen die meistbeachteten Hochkultur-Festspiele im deutschsprachigen Kulturraum bislang aufwarteten. Soll heißen: Bei der Kunst ginge noch einiges.

Die Salzburger Festspiele starten an diesem Wochenende mit ihrem formschön vergeistigten „Ouverture spirituelle“-Konzertprogramm zum Thema Hinduismus in eine Spielzeit, bei der man die Alleinstellungsmerkmale länger suchen muss als in vergangenen Jahren. Markus Hinterhäuser tritt die Intendanz-Nachfolge des sehr flott an die Mailänder Scala gewechselten Alexander Pereira erst 2017 an. Die Abwicklung der Wartezeit übernehmen unterdessen die Noch-Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler und Noch-Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf.

Das Festspiel-Programm 2015 sieht entsprechend unverbindlich aus – so gut wie keine aufsehenerregenden Premieren im Opernbereich, dafür Wiederaufnahmen, vieles, was sich an der Kasse und bei der Kritik bewährte. Eine Bartoli-„Norma“ und eine Bartoli-„Iphigenie“ liefen bei den Pfingstfestspielen, der „Trovatore“ (noch mit Netrebko, aber jetzt ohne Domingo) und der „Rosenkavalier“ sind Vorjahresware. Auch der „Figaro“, mit dem Bechtolf seine Mozart-Trilogie beendet, könnte wie die beiden anderen Opern Regie-Ähnlichkeiten mit einem Dreierpack für Zürich haben. Interessant, aber konzertant: Purcells „Dido und Aeneas“ unter der Leitung von NDR-Chefdirigent Thomas Hengelbrock und um eine Sprechrolle für dessen Frau Johanna Wokalek ergänzt.

Erstaunlich, was Rabl-Stadler am Freitag in der „Süddeutschen Zeitung“ als Gegenargument anzubringen versuchte: „Ich kenne keine Opernaufführung, die im zweiten Jahr schlechter geworden wäre.“ Selbst wenn das so wäre, und viele Beispiele sprächen dagegen, ist ein derart kleinlautes „Ja, aber ...“ so ziemlich das Gegenteil dessen, womit man neuheitenfixierte Sponsoren und exklusive Kundschaft für den hoch dotierten Ausnahmezustand an die Salzach, in die Hotels und Restaurants der Mozart-Stadt locken kann. Recycling auf diesem Niveau muss man mögen. Und hat man mal kein Glück, kommt auch noch Pech dazu: Mezzosopranistin Elina Garanca, als Publikumsmagnet in der Netrebko-Kaufmann-Liga schwer ersetzbar, sagte Salzburg aus familiären Gründen ab.

Wichtigster Prestige-Hoffnungsträger im Salzburger Opernspielplan ist die erste Premiere: Rihms „Eroberung von Mexiko“, ein festspielwürdig großer Brocken. Für die Realisierung wurde ein Team inszeniert, das sich aus langjähriger Erfahrung an der Hamburgischen Staatsoper bestens kennt: Ex-Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher, in Salzburg seit Jahren der Mann fürs Komplexe, und dessen Ex-Hausregisseur Peter Konwitschny wollen in der Felsenreitschule zeigen, wie relevant, wie politisch und wie moralisch fordernd dieses Musiktheaterstück heute sein muss. Für Konwitschny ist es sein Salzburg-Debüt, für Metzmacher ein doppeltes Déjà-vu. Denn er war es, der das Stück 1992 bei seiner Hamburger Uraufführung dirigierte und sich auch damit für den 1997 angetretenen Posten empfahl, den er 2005 frustriert verließ, um im Rest der Musikwelt wieder freier zu sein.

Anders, aber auch schwierig sind die Dinge bei den Festspiel-Kollegen in Bayreuth. Außer den zehn Stücken des Meisters darf dort nichts auf den Spielplan, in diesem Sommer ist „Tristan und Isolde“ als Premiere dran, inszeniert von Hausherrin Katharina Wagner, dirigiert von ihrer rechten Hand Christian Thielemann. Beide sorgten wegen eines angeblichen „Hügel-Verbots“ für Katharinas Halbschwester Eva Wagner-Pasquier für Schlagzeilen. Die letzte, die so etwas traf, war Wini­fred Wagner in den 1970ern, wegen Nibelungentreue zu Hitler. Die Nerven sollen blank liegen. Katharina W. braucht endlich Regie-Erfolg, 2015 ist „Tristans“ 150. Geburtstag zu würdigen.

Außerdem gab es Ärger über Besetzungsänderungen bei der Partie der Isolde, die von manchen als nur schlecht versteckte Racheakte Thielemanns am „Ring“-Dirigenten Kirill Petrenko interpretiert wurden. Petrenko, der in diesem Sommer seinen letzten Bayreuther Castorf-„Ring“ leitet, hatte kürzlich den Chefposten bei den Berliner Philharmonikern bekommen, Thielemann verlor.

Und obwohl normalerweise nur das Festspielhaus als Intrigantenstadl verrufen ist, rumpelt es auch an einer anderen Wagner-Adresse unschön. Nach drei Jahren Bauzeit und viel Streit über das Konzept soll endlich die Neueröffnung des Wagner-Museums in der Villa Wahnfried gefeiert werden, das um einen Neubau erweitert wurde. Am Tag nach der „Tristan“-Premiere steht dort der Festakt an. Mit welcher Laune der Museumsdirektor Sven Friedrich teilnehmen wird, bleibt noch abzuwarten. Friedrich steckt in einem Rechtsstreit, wegen Abmahnungen durch die Oberbürgermeisterin. Die Gründe sollen damit zu tun haben, wie viel Sponsoren zu den Baukosten beitragen würden. Sehr ominös provinziell wirkt das alles. Da Richard mit Gattin Cosima im Garten von Wahnfried beerdigt wurde, hätte er in Sichtweite des Grabs nun einen frischen Grund zum Rotieren. Denn bei Theaterdonner ist auf Bayreuth immer Verlass.