Hamburg. Der Sohn des Verlagsgründers Ernst Rowohlt starb im Alter von 70 Jahren. Bekannt wurde Rowohlt auch durch die ARD-Serie “Lindenstraße“.

Er war Autor, Übersetzer und kongenialer Vorleser, ein großer Sprachkünstler und ein noch größerer Liebhaber des Lebens und seiner schönen Seiten. Harry Rowohlt, der vor wenigen Wochen seinen 70. Geburtstag feierte, ist am Montagabend im Kreis seiner Familie in Hamburg gestorben. Bürgermeister Olaf Scholz würdigte Rowohlt am Dienstag als einen engagierten und hintersinnigen Charakterkopf. Insbesondere als Schauspieler und Rezitator habe er sich in die Herzen seiner alle Generationen umfassenden Bewunderer gespielt und gesprochen. „Wer einmal eine seiner legendären Lesungen erlebt hat, ist mit großer Wahrscheinlichkeit Wiederholungstäter geworden oder hört gern die unzähligen Hörbuchproduktionen - Hamburg wird ärmer ohne Harry Rowohlt“, sagte Scholz.

Der „Bär von geringem Verstand“ – so der Untertitel seiner Zeitungskolumne „Pooh's Corner“ – hatte mit A.A. Milnes Kinderbuchfigur „Pu der Bär“, die er so treffend, liebevoll und voller Humor ins Deutsche übertrug, dass man das Original auch getrost beiseite legen konnte, nur wenig gemein. Sein Honig war lange Jahre der Whiskey, sein Verstand so scheinbar unbegrenzt wie sein Hedonismus.

Lesungen waren Liebeserklärung an die Sprache

Rowohlt Lesungen, die sich auf ärztliches Anraten vom „Schausaufen mit Betonung“ zur „Betonung ohne Schausaufen“ wandelten, waren Liebeserklärungen an die Sprache und das Spiel mit ihr. Eigene und fremde Texte, von ihm selbst oder von anderen übersetzte, sie waren immer nur das Gerüst für zwar stundenlange, aber stets extrem kurzweilige erzählte Wanderungen durch seine Biografie und durch lieb gewonnene Anekdoten.

So wie die von der „Faust“-Aufführung im St.-Pauli-Theater. Das sei nachweislich die einzige Bühne, auf der Goethes Tragödie je ein Happy End gehabt habe: Das Publikum habe, so erzählte es der Brummbär mit der kleinen runden Brille und dem großen Rauschebart gerne, derart nachdrücklich „Heiraten, heiraten!“ gefordert, dass Faust aus Angst ums Gestühl spontan um Gretchens Hand angehalten habe.

Sandwich ist im Deutschen eben eine Klappstulle

Vom Set der „Lindenstraße“, in der er einen Obdachlosen gleichen Namens spielte, gab er auch immer gern kleine Geschichten zum Besten, genau wie von seinem Verhältnis zu den Autoren, die er übersetzte. Die fühlten sich im Lauf der Jahre zunehmend geehrt, dass ihre Texte nicht von irgendwem, sondern von dem Mann ins Deutsche übertragen wurden, der nicht dafür bezahlt wurde „Sandwich mit Sandwich zu übersetzen, sondern mit Klappstulle“. So sagte der irische Krimi-Autor Ken Bruen über Rowohlt einmal „Thank God for Harry, he makes me sound intelligent“.

Der Sohn des Verlegers Ernst Rowohlt, der während seines 70 Jahre langen Lebens wohl zigtausend Mal nach seiner auf eigenen Wunsch nicht bestehenden Verbindung zum Reinbeker Verlagshaus gefragt wurde, war im besten Sinn ein Sonderling. Ein Bär von Mann, der seine Leidenschaften zu teilen verstand. Der weit mehr als 100 Autoren aller Genres „intelligent klingen ließ“, ganz gleich, ob sie das ohnehin taten oder erst nach Rowohlts unnachahmlicher Sprachbetreuung. Und dessen „Meinungen und Deinungen“ dem deutschen Literaturbetrieb schmerzlich fehlen werden.