HAmburg. Der Buchmarkt ändert sich, da hilft nur internationale Vernetzung. In Hamburg war deswegen eine japanische Delegation zu Gast
Irgendwann sagte Christian Heymann, dass die Deutschen eben verrückte Leute seien, und dann lachte die Delegation aus Fernost, die sich in den Raum direkt unter dem Dach gezwängt hatte. Sie lachte überhaupt viel und manchmal auch schon dann, wenn die Übersetzerin noch gar nicht übersetzt hatte.
„Mal so, mal so“, sagte Markus Kalpen zum Beispiel auf die Frage, wie denn das Geschäft mit Büchern grundsätzlich laufe. Kalpen ist einer von Heymanns Mitarbeitern, ganz allein wollte sich der Chef der seit 1928 bestehenden Buchhandlung dann doch nicht im Verwaltungsgebäude des Unternehmens den Gästen stellen. Die hatten sich Heymann gezielt ausgesucht, um vom deutschen Mittelstand zu erfahren, wie man im digitalen Zeitalter denn noch Bücher verkaufen kann.
Auf ihrer Bildungsreise nach Hamburg – heute geht es noch zur Zentralbibliothek am Hühnerposten – suchen die japanischen Buchhändler und Verleger nach Vorbildern. Der japanische Buchhandel muss sich wie der in Deutschland gegen die Konkurrenz der Internetkaufhäuser behaupten – und neue Wege beschreiten.
Die Buchhandlung Heymann gibt es 14-mal in Hamburg, in einer Allianz mit Mitbewerbern wie Thalia bietet sie seit einiger Zeit ein eigenes Lesegerät für E-Books an – und genau dafür interessieren sich die Japaner, vor allem, seit die Produktion eines japanischen Lesegeräts unlängst eingestellt wurde.
Und so schickte sich Heymann nun also an, den Abgesandten eines der größten Technologiestandorte der Welt ein wenig Nachhilfe zu geben. Zunächst war es vor allem ein Herr Hoshido, der stellvertretend für seine Forschungsgruppe Frage um Frage stellte, während seine Landsleute ihre Aufnahmegeräte zückten. Wie gesagt, sie haben es ja mit der Technik, die Japaner. Und auch mit der Logik, denn ein paar Nachfragen hatten sie dann doch, als immer deutlicher wurde, dass stationäre Buchhändler derzeit noch mit ihren digitalen Angeboten vor allem den Service-Gedanken pflegen. Geld verdienen Buchhändler wie Heymann kaum mit E-Books. Weshalb Christian Heymann halb scherzhaft eben manchmal von einer gewissen „Verrücktheit“ spricht.
Nun, mit seltsamen Anwandlungen hat die E-Book-Offensive natürlich gar nichts zu tun, weil E-Books für etliche Leser viel zu praktisch sind, als dass man sie als Unternehmen ignorieren könnte. Das weiß auch Heymann sehr gut, der seinen Zuhörern übrigens berichten konnte, dass mit dem Verkauf von Lesegeräten und elektronischen Büchern auch gewisse Kenntnisse vonstatten gehen müssen. In den Heymann-Häusern ist theoretisch jedenfalls jeder in der Lage, der älteren, wenig technikbegeisterten Kundin, die sich freilich über die viel größere Schrift auf dem Reader freut, dabei zu helfen, das E-Book hochzuladen.
Als Gastgeschenk gab es für Heymann ein traditionelles japanisches Tuch, und wenn er sich über das besondere erotische Interesse der Japaner („Gibt es auch eine Preisbindung für Pornos, Herr Heymann?“) gewundert haben sollte, dann ließ er es sich nicht anmerken. Kulturelle Irritationen sind in der Welt des Lesens eher die Ausnahme, die Fragen, die sich Deutsche und Japaner stellen, dieselben. Derzeit sieht es so aus, als könnten sich japanische von Hamburger Buchhändlern durchaus etwas abschauen.