Hamburg. „Goot gegen Nordwind“: Der Bestseller von Daniel Glattauer überzeugt im Ohnsorg Studio auch auf Plattdeutsch - in ungewöhnlicher Kulisse.

Einen Briefroman auf die Bühne zu bringen ist eine Herausforderung, zumal auf komödiantische Art. Das galt etwa für A.R. Gurneys „Love Letters“, und es gilt auch für „Gut gegen Nordwind“, die moderne Form des Briefromans in den Zeiten und Weiten des World Wide Web. Die Bühnenfassung von Daniel Glattauers Bestseller, bereits 2006 erschienen, ist trotzdem eines der meistgespielten Stücke an deutschsprachigen Theatern. Da wurde es höchste Zeit für eine plattdeutsche Variante.

„Goot gegen Nordwind“ zündet, ja berührt auch in der Übersetzung Jürgen Witts, wie die Premiere im Ohnsorg Studio zeigte. Geschickt lässt Regisseurin Andrea Udl die Protagonisten nicht gleich op Platt „losschrieven“. Birte Kretschmer und Holger Dexne nähern sich zunächst auf Hochdeutsch ihren Rollen, streuen vom Skript Regieanweisungen ein und tun ihre E-Mails per Mikrofon kund. Damit auch des Romans Unkundigen klar wird, dass die verheiratete Website-Gestalterin Emmi Rothner (Kretschmer) und Kommunikationswissenschaftler Leo Leike (Dexne) per Zufall aneinandergeraten. Emmi hat sich bei der Adresse schlicht um einen Buchstaben vertippt, als sie ein Magazin-Abo abbestellen wollte.

Als sie beim sich anbahnenden E-Mail-Verkehr erstmals auf Platt flucht, weil er nicht antwortet, er dann aber doch ihre Sprache versteht und spricht, sind auch die Zuschauer mittendrin. Ein großer Verdienst der beiden Schauspieler: Birte Kretschmer als kokette Emmi („Ich bin für Sie wie Telefonsex – nur ohne Sex und Telefon“) und Holger Dexner als beziehungsgeschädigter Sprachpsychologe Leo lassen das Publikum nicht nur an den flotten Pingpong-Dialogen teilhaben, sie verkörpern die Charaktere mitsamt Sehnsüchten und Nöten äußerst glaubhaft, nahezu ideal.

Und das in ungewöhnlicher Kulisse: Bühne und Zuschauerraum sind jeweils geteilt. Auf zwei schwarzen, sich gegenüberstehenden Treppenpodesten mit je fünf Stufen und einer Luke für Requisiten spielt sich Emmis und Leos Leben ab. Dort wohnen sie, dort trinken sie, träumen sie, chatten sie. Immer näher kommen sie sich bei ihrem Schlagabtausch, durchleben Krisen in ihrer virtuellen Beziehung, ohne sich zu sehen oder körperlich zu berühren.

Auch wenn „Goot gegen Nordwind“ noch aus der Pre-Smartphone-Ära, stammt, als E-Mails nur am heimischen Computer abzurufen waren. ist das Stück ein weiterer gelungener Baustein des modernen Ohnsorg-Programms. Langanhaltender und verdienter Premierenapplaus für die beiden Schauspieler, die Regisseurin und Ausstatterin Ilka Meier.

„Goot gegen Nordwind“ wieder ab 4.6. bis 5.7., Ohnsorg Studio, Karten unter T. 35 08 03 21