Hamburg. Der Autor prägte den deutschen Journalismus wie kein Zweiter. Jetzt wird er 90. Als Lehrer war er berüchtigt.

Auf kaum jemanden wird das Etikett „Sprachpapst“ so häufig gemünzt wie auf Wolf Schneider, der heute seinen 90. Geburtstag feiert. Es wird von Schülern des ehemaligen Leiters der Hamburger Henri-Nannen-Schule genauso gern verwendet wie von allen anderen, die über einen der stilprägendsten und einflussreichsten Journalisten der deutschen Nachkriegsgeschichte schreiben.

Er würde es wohl trotzdem aus dem Wortschatz seiner Kollegen streichen wollen: Nicht, weil es ihm nicht behagen würde, zum Unfehlbaren erhoben zu werden, der ex cathedra über Wohl und Wehe von Texten urteilen kann. Sondern weil man es sich durch den Rückgriff auf das Altbekannte zu leicht gemacht hat. „Qualität kommt von Qual“ – mit diesem Motto lässt sich der Journalistenlehrer, Autor, Talkshow-Moderator, Chefredakteur und Auslandskorrespondent gern zitieren. Der Leitspruch hat ihn durch eine Karriere getragen, die von der Nachkriegszeit und der Münchener „Neuen Zeitung“ über die Nachrichtenagentur AP, die „Süddeutsche Zeitung“, den „Stern“ und die „Welt“ bis zur Henri-Nannen-Schule und der „NDR Talkshow“ führte. Bis vor Kurzem gab Schneider noch Seminare, Bücher schreibt er weiterhin. Gerade erschien seine Autobiografie „Hottentottenstottertrottel“.

Altersmilde oder Gelassenheit lässt sich Schneider bis heute nicht nachsagen

Als Lehrer war er berüchtigt, seine Kritiken gefürchtet. Gelassenheit lässt er sich bis heute nicht nachsagen. Im Interview mit dem „Spiegel“ proklamierte Schneider unlängst: „Ich möchte mich weiter ärgern dürfen über schlechtes Essen, dumme Meinungen, über schlechten Journalismus.“ Um zu entscheiden, was solche ausmacht, brauchte Schneider noch nie eine zweite Meinung. Sein eigenes Sprachgefühl, seine eigenen Ansichten waren ihm stets genug. Wer sich ihm entgegenstellt, der sollte gut gewappnet sein.

Man mag Wolf Schneider Eitelkeit, Arroganz gar vorwerfen. Ein kaum übertroffenes Sprachgefühl und einen bleibenden Einfluss kann ihm auch der größte Kritiker nicht absprechen. Wie einige wenige Päpste wird auch Schneider dereinst von seinen Jüngern zu einem Schutzheiligen erklärt werden: zu dem der deutschen Sprache. Damit aber hat es noch Zeit, wenn es nach Schneider geht. Es sind Bücher zu schreiben und Urteile zu fällen.