Hamburg. Die Philharmoniker präsentieren Facetten des Meisters im Werk nachgeborener Komponisten
Johann Sebastian Bach als dramaturgische Klammer eines Konzerts – das funktioniert eigentlich immer. Auch wenn sein Werk in Originalgestalt in all seinen Verästelungen nach seinem Tod 1750 außerhalb kirchlicher Zusammenhänge lange Zeit kaum aufgeführt wurde, befassten sich durch die Jahrhunderte doch nahezu alle bedeutenden Komponisten des Abendlands mindestens studienhalber mit Bachs Oeuvre und nahmen Bezug darauf. Das Philharmonische Staatsorchester bot am Sonntagvormittag in seinem 8. Abokonzert drei allenfalls bei flüchtigem Hinsehen überraschende Rückbezüge auf Bach.
Die Matinee begann mit einer der vielen Bach-Bearbeitungen Max Regers, dem Choralvorspiel zur Arie „O Mensch, bewein dein Sünde groß“, gesetzt für Streichorchester. Unter der Leitung des Gastdirigenten Jun Märkl einte die Streicher von Anbeginn ein gemeinsamer Atem. Anstelle großen Beweinens verlegte sich das Orchester auf eine sehr innerliche Form von Trauer. Empfindung, Ernst, auch Noblesse der Demut schwangen mit und setzten den Ton für das folgende Stück, den größten (einzigen?) Hit, den die Zweite Wiener Schule je landete: Das Violinkonzert von Alban Berg, gewidmet „Dem Andenken eines Engels“, der im Alter von 18 Jahren verstorbenen Manon Gropius, der Tochter Alma Mahlers aus zweiter Ehe.
Daniel Hope spielte den Solopart mit großem Ton und viel Emphase, wobei sich im zweiten Satz der Eindruck verfestigte, die wütenden, sich aufbäumenden, Schmerz und Todesangst herausschreienden Passagen lägen ihm mehr als das sublim Jenseitige, das durch das Violinkonzert ja auch hindurchscheint. So entschieden irdisch und vibratoreich wie von Hope interpretiert, gewinnt die Geigenstimme unbestreitbar an Kraft, büßt aber etwas von ihrer spirituellen Dimension ein. Das Orchester begleitete ihn wach und klanglich überaus differenziert.
Weniger offenkundig als Berg mit seinen vier aufsteigenden Ganztönen aus dem Choral „Es ist genug“ verarbeitete Brahms Musik von Bach in seiner vierten Sinfonie. Die Philharmoniker machten daraus ein stellenweise allzu grell funkelndes Stück Orchesterliteratur, scharfkantig geschliffen vom angenehm ökonomisch seine Zeichen setzenden Dirigenten. Das war struktur- und detailbewusst gearbeitet und klang doch wie aus einem Guss.
Zweites Konzert Mo, 20.4., 20 Uhr, Laeiszhalle