Hamburg. Simone Young zieht nach zehn Jahren als Intendantin und Generalmusikdirektorin an der Staatsoper Hamburg Bilanz

Es wird nicht immer einfach für Simone Young gewesen sein zu entscheiden, mit welchem Hut auf dem Kopf sie gerade unterwegs war, dem der Intendantin oder dem der ­Generalmusikdirektorin. Zehn Jahre hat sie an der Staatsoper Hamburg beide Ämter in Personalunion bekleidet, immerhin eines der großen Opernhäuser Deutschlands. Ende dieser Saison übergibt sie ihre Posten an das Duo Georges Delnon/Kent Nagano und zieht nach England. Youngs letzte Wochen sind angebrochen; nur logisch, dass über ihrem Podiums­gespräch mit Sabine Lange, Musik­redakteurin bei NDR Kultur, beim jüngsten „Kulturforum“ auf Kampnagel als ungeschriebenes Motto das Wort „Bilanz“ schwebte, vielleicht gar „doppelte Bilanz“.

Von einer Abrechnung hatte der Abend indessen nichts. Die scheidende Chefin präsentierte sich in professioneller Hochform, gut gelaunt und wortgewandt. Und so ab­geklärt wie jemand, der alle Schlachten geschlagen hat, alle Höhen und Tiefen erlebt.

Von beidem gab es nicht zu knapp in dieser Dekade. Young selbst sagte, sie sei stolz auf „eine wunderbare Anzahl großartig gelungener Produktionen, ein Orchester auf Augenhöhe mit den besten Orchestern Europas, eine Serie von Aufnahmen und Liveübertragungen, auf die wir alle stolz sein können, und ein Haus, das menschlich wie künstlerisch in einem guten Zustand ist“. Da hatte Lange dann doch ein paar Ergänzungen. Etwa die Hörer, die es sich eine Zeit lang zur Gewohnheit gemacht hatten, nicht erst beim Schlussapplaus, sondern schon vor dem ersten Einsatz zu buhen. „So etwas ist für einen Künstler sehr schwer zu schlucken“, gab Young zu. „Ich sage mir in solchen Momenten: Nicht ich als Person bin gemeint, sondern die Dirigentin oder Intendantin.“

Dass die beiden Seelen auch in Youngs Brust nicht immer einer Meinung waren, daraus machte sie keinen Hehl. Launige Blicke in den Maschinenraum des Ozeandampfers Staatsoper vermittelten einen Eindruck vom unbarmherzigen Kostendruck, der auf dem im Vergleich zur Bayerischen Staatsoper dramatisch unterfinanzierten Haus lastet: Wie viele „Traviatas“ und „Zauberflöten“ braucht es, um Kassengift wie Janácek-Opern abzu­federn? „Wir schaffen das vielleicht zu gut“, resümierte Young, „da werden die Hilfeschreie nicht ernst genommen.“

Und wenn ihr Umzug auf die Insel geschafft ist? „Ich werde es genießen, morgens nicht als Erstes meine Mails zu checken“, sagte Young. „Ich brauche Platz in meinem Kopf!“