Der vor 40 Jahren zu Ende gegangene Krieg markiert das Ende der amerikanischen Unschuld. Arte zeigt dazu zwei Dokumentationen.
Er war als symbolträchtiges Eingreifen gegen den „internationalen Kommunismus“ gedacht und wurde zum militärischen und gesellschaftlichen Desaster für die USA: Vor vierzig Jahren endete der Vietnamkriegmit der Einnahme Saigons durch nordvietnamesische Truppen. Er dauerte fast 20 Jahre und kostete Millionen Menschen das Leben. Wie vielen genau, das ist bis heute unklar. Am Dienstag erinnert Arte mit einem Themenabend an den Krieg, der von den Medien so ausführlich und ungefiltert begleitet wurde wie kein Konflikt zuvor – oder danach.
Auf entsprechend viele Originalaufnahmen aus den 50er-Jahren, als Ngo Dinh Diem mit Billigung der Amerikaner eine antikommunistische Diktatur in Südvietnam errichtete, bis zur überstürzten Evakuierung der letzten Amerikaner 1975, kann die Dokumentation „Der Vietnamkrieg – Gesichter einer Tragödie“ zurückgreifen. Es sind bekannte und unbekannte Bilder dabei, den meisten ist gemein, dass sie mit erschreckender Direktheit die Brutalität des Krieges zeigen. Man sieht Bombenangriffe und Feuergefechte, den Abwurf von Napalm und Agent Orange, schießende Vietcong und Marines. Und immer wieder Leichen. Männer, Frauen, Kinder. Verstümmelt, zerfetzt, von Kugeln durchsiebt. Mit diesen Bildern waren nicht nur die Soldaten und Korrespondenten vor Ort konfrontiert. Auch die Weltöffentlichkeit nahm zum ersten Mal in minutiöser, nahezu täglicher Berichterstattung wahr, was dieser Krieg nicht nur für die Kämpfenden beider Seiten, sondern auch für die Zivilbevölkerung bedeutete.
Die Fotos, TV-Bilder und Korrespondentenberichte trugen ihren Teil zur immer stärker werdenden Friedensbewegung in den USA und anderen Ländern bei. Nicht nur die militärische Niederlage und die augenscheinliche Brutalität der Kriegsführung, auch Gräueltaten wie das Massaker, das US-Soldaten im Dorf My Lai verübten, sorgten im weiteren Kriegsverlauf für immer stärkeren Widerstand gegen die US-Präsenz in Vietnam. Nicht wenige Veteranen schlossen sich schließlich der Friedensbewegung an.
Wie sehr das Erlebte die ehemaligen Kämpfer beider Seiten noch heute beeinflusst, zeigen Interviews mit Zeitzeugen: Auf der einen Seite junge Männer, die ohne die geringste Ahnung vom Leben, der Kultur und der Geschichte Vietnams in einen Dschungelkrieg geschickt wurden. Der Veteran Scott Camil erinnert sich daran, dass er ganz selbstverständlich davon ausging, die USA seien das beste Land der Erde und hätten natürlich das Recht, allen anderen ihre Lebensweise aufzuzwingen. Und für Frederic Whitehurst war Vietnam nur „irgendein Land bei China“, das Gefahr lief, von Kommunisten überrannt zu werden. Sie wurden aus ihrem Leben herausgerissen und fanden sich in einem erbittert geführten Guerillakrieg wieder, der nicht nur die einfachen Soldaten, sondern auch die Kommandoebene der amerikanischen Truppen zunehmend überforderte.
Spätestens nach der Tet-Offensive 1968 wurde in Ermangelung messbarer militärischer Erfolge der Body Count, die Anzahl der Getöteten, zum offiziellen Maßstab des Kriegserfolges erhoben, das Truppenkontingent auf über eine halbe Million Soldaten aufgestockt. Und der Gegner endgültig entmenschlicht: „Gooks“ und „Commies“, „Schlitzaugen“ und „Kommunisten“ seien seine Gegner für ihn gewesen, erzählt Camil. Aber keine Menschen.
„Gesichter einer Tragödie“ zeigt anschaulich den Verlauf des Krieges, seine Wahrnehmung und – in Teilen – seine Auswirkungen auf Vietnam bis heute. Was hinter den Kulissen passierte, als den Amerikanern klar war, dass dieser Konflikt nicht zu gewinnen war, zeigt im Anschluss „Dr. Kissinger und Le Duc Tho oder: Das Ende eines Krieges“. Die Geheimverhandlungen zwischen Nixons Sicherheitsberater und dem Sonderberater Ho Chi Minhs in Paris sind ein nur wenig bekanntes Kapitel in der Geschichte der Diplomatie.
„Themenabend Vietnam“, Di ab 20.15 Uhr, Arte