Hamburg. Preisstruktur, Saalmieten, Platzprobleme auf der Plaza – Intendant Christoph Lieben-Seutter über den Stand der Dinge in Sachen Elbphilharmonie.

Weniger als zwei Jahre noch bis zum ersten Konzert, in Planungsschritten gerechnet ist das fast schon übermorgen. Je mehr sich die jahrelange Krisen-Baustelle Elbphilharmonie ihrer geplanten Fertigstellung im nächsten Jahr nähert, desto mehr gibt es für Generalintendant Christoph Lieben-Seutter zu regeln. Nicht alles wird der Besucher zu sehen bekommen. Doch für den Betrieb des Konzerthauses sind jetzt viele entscheidende Weichen zu stellen.

Hamburger Abendblatt: Die erste Frage, auf die Sie garantiert nicht konkret antworten wollen, obwohl Sie es könnten: Wie weit sind Sie mit der Planung der Elbphilharmonie-Eröffnung?

Christoph Lieben -Seutter: So mittendrin. Vieles steht fest, manches noch nicht. Die großen, fetten Fische sind an der Angel, die Projekte für die kleineren Säle und die feingeschnitzten Dinge, die kommen jetzt nach und nach ... 50, 60 Prozent oder so.

Sind Sie beim Bau vor dem Zeitplan?

Lieben -Seutter: Kann sein, dass hier und da noch etwas leicht hinterher hängt, aber das ist kein Thema. Wir kriegen das Haus zu den vereinbarten Terminen, man wird am Ende froh sein, noch kleine Zeitreserven zu haben.

Welche logistischen Probleme stehen jetzt zur Regelung an?

Lieben -Seutter: Es geht gerade um ex-trem viele Themen. Wir sind seit fast einem Jahr im Elbphilharmonie-Eröffnungsmodus. Neben dem alltäglichen Geschäft haben wir mit unserem bestehenden Team eine weitere Arbeitsebene eingeführt, die von einem Projektsteuerer gemanagt wird. Wir haben über 120 Teilprojekte zum Thema Eröffnung definiert. Das Management der Plaza ist ein wichtiger Aspekt, ein anderer der Ablauf der Eröffnungsmonate. Wann kann was im Saal passieren, welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, wann wird der Saal zum ersten Mal mit Leuten gefüllt? Es geht um Abläufe, Saaleinteilung, Preisstrukturen, Ausstattung, auch um Gastronomie oder Kundenservice und vieles mehr. Eine wilde Zeit, aber sehr spannend.

Was sind die nächsten großen Baustellen-Etappen?

Lieben -Seutter: Das läuft alles. Wir dürfen im Sommer ‘16 ins Gebäude. Ende Oktober ‘16 erhalten wir die Schlüssel. Wir werden nach und nach einziehen, und erste akustische Tests wird es wohl im September geben. Abgesehen von Evakuierungsübungen können komplette Testläufe mit Publikum aber erst ab November stattfinden.

Sie müssen die bisherigen Abo-Strukturen der Laeiszhalle mit den neuen Elbphilharmonie-Bedingungen in Einklang bringen, was schon wegen der unterschiedlichen Saalgrößen und Sitzplatzzahlen schwierig ist. Manche Anbieter werden an beiden Orten vertreten sein. Wie weit sind Sie damit?

Lieben -Seutter: Das ist knifflig, weil die Säle so unterschiedlich sind. Man muss die Plätze im Prinzip völlig neu zuteilen. Dafür sind wir noch in der Findungsphase mit all denjenigen, die dort Abos anbieten werden. Ich gehe davon aus, dass mit der Veröffentlichung des Konzertprogramms 2016/17 im nächsten Frühjahr die ersten Abos dieser Art angeboten werden, da wollen wir Hilfestellung über das Internet anbieten. Wir warten jetzt auf den Moment, an dem die Bestuhlung komplett eingebaut sein wird. Dann können wir die Einteilung der Kategorien noch einmal vor Ort überprüfen.

Eigentlich sollen doch alle Plätze wahnsinnig toll sein.

Lieben -Seutter: Schon, aber einige werden womöglich noch toller sein als die anderen.

Wird es Änderungen bei der Preisstruktur geben?

Lieben -Seutter: Wir als Hamburg Musik werden keinen Preissprung machen, nur weil die Elbphilharmonie da ist. Bei den anderen Veranstaltern wird es höchstens kleine Anpassungen geben. In der Elbphilharmonie wird sich jeder eine Karte leisten können.

Und die Saalmiete?

Lieben -Seutter: Die ist noch nicht durch meine Gremien durch und wird im Sommer spruchreif sein. Die Laeiszhalle wird weiter sehr günstig sein, die Elbphilharmonie um einiges teurer.

Sollen alle Veranstalter beide Adressen bespielen können?

Lieben -Seutter: Natürlich. Momentan ist nur der NDR entschlossen, alle seine Sinfonie-Konzerte in der Elbphilharmonie zu machen. Das „Alte Werk“ ist in der Laeiszhalle gut aufgehoben und soll da auch bleiben. Wir anderen überlegen ständig, was wo Sinn macht. Und wir stellen fest, dass die Attraktion der Elbphilharmonie überwältigend ist. So ist es schwieriger als gedacht, in der Eröffnungsphase Künstler in die Laeisz-halle zu verpflichten. Die Laeiszhalle wird es wohl in den ersten Monaten nicht so leicht haben. Danach wird es eine Gegenbewegung geben.

Gegenbewegung ist ein schönes Stichwort: Ist schon klar, wie sie die Besucherströme regulieren wollen – einerseits die Plaza-Gäste, andererseits das Konzertpublikum, das durch diesen öffentlichen Raum in die Veranstaltungen will?

Lieben -Seutter: Das Management der Plaza ist für uns momentan das größte infrastrukturelle Thema. Denn das ist höchst komplex und wir wollen alle zufriedenstellen.

Wie viele Menschen sind dort gleichzeitig erlaubt?

Lieben -Seutter: Die Hotellobby eingerechnet, bis zu 2800. Aber das ist das Modell Sardinendose. Die Menge, die man für eine komfortable Aufenthaltsqualität anstrebt, ist viel geringer. Etwa 1200, wenn halbwegs schönes Wetter ist und die Menschen auch draußen sein können. Bei Schneesturm nur 650. Mit diesen Zahlen sind wir auch mit den Konzertbesuchern problemfrei, diese können an den Plazabesuchern vorbei ins Konzert gelangen.

Aber wie wollen Sie dafür sorgen, dass die Menschen auch rechtzeitig Platz machen für die jeweils nächsten? Rausjagen geht nicht.

Lieben -Seutter: Indem wir Zeitabschnitte für die reinen Plazabesucher einführen und von einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer ausgehen. Individuell kann natürlich jeder solange bleiben, wie er will. Bei Sonderfällen wie Hafengeburtstag muss man einen anderen Einlassmodus anwenden.

Wenn man Besuch-Zeitabschnitte vorab buchen muss, werden sie dann auch kostenpflichtig sein?

Lieben -Seutter: Grundsätzlich soll der Zutritt zur Plaza kostenfrei sein. Der Spontanbesuch wird weiterhin möglich und kostenlos sein, es muss aber auch die Möglichkeit geben, Plazatickets für einen bestimmten Termin im Vorverkauf zu buchen. Diese dürfen meiner Meinung nach auch ein paar Euro kosten. Wenn alles gratis wäre, ziehen sich irgendwelche Händler frühmorgens 300 Tickets und verkloppen sie für 20 Euro das Stück, wie wir es bei den Baustellenführungen erleben mussten.

Wo wir gerade beim Geld sind: Ein Betriebskostenkonzept gibt es nach wie vor nicht.

Lieben -Seutter: Wir haben ein Konzept entwickelt, Budgets abgeliefert und sind noch mitten in der Diskussion. Wir gehen von relativ hoher Auslastung und moderaten Preisen aus und einer großen Programmverdichtung. Vor der Sommerpause soll das Konzept beschlossen sein.

Die Stiftung Elbphilharmonie soll – wie es in der letzten Drucksache von 2008 sehr optimistisch geplant war – den Spielbetrieb mitfinanzieren?

Lieben -Seutter: Damals hat sich die Bürgerschaft gedacht, wir geben denen 17,5 Millionen Euro als Stiftungskapital, das sorgt für einen jährlichen Ertrag von 800.000 Euro, und um diesen Betrag kann man den jährlichen Zuschuss der Stadt verringern. Leider hat sich die Zinslandschaft anders entwickelt und so kommt momentan nicht einmal die Hälfte heraus. Da muss man natürlich nachjustieren.

Kosten für die Elbphilharmonie sollen anderen Teilen der Hamburger Kultur im Kulturetat nicht abgezogen werden, heißt es kategorisch aus der Politik.

Lieben -Seutter: So ist es.

Bei der Eröffnung der Pariser Philharmonie vor einigen Wochen wurden Hunderte Karten zu günstigen Preisen in den freien Verkauf gegeben. Wird das in Hamburg auch so sein?

Lieben -Seutter: Ja, die Elbphilharmonie ist ein Haus für alle und sollte es auch bei der Eröffnung sein. Außerdem ist das wichtig für die Stimmung. Wir schauen uns ohnehin einiges von Paris ab – aber nur die guten Dinge natürlich, nicht, dass die Philharmonie bei der Eröffnung noch nicht fertig war. Es wird auch in Hamburg zwei Eröffnungsgalas geben, auch, um den Druck auf die Frage nach Ehrenkarten zu verringern. Es gibt sehr viele Leute aus Hamburg und der ganzen Welt, die unbedingt dabei sein wollen. Deswegen werden wir ihnen zwei gleichwertige Konzertabende bieten. Nur bei einer wird es Festansprachen geben, aber so gibt es auch mehr Karten für den freien Verkauf.

Wie groß ist dieser Druck denn? Wie oft kommen jetzt schon Anfragen?

Lieben -Seutter: Diesen Druck habe ich seit acht Jahren. Und es wird kein Trick ausgelassen: „Wir haben zufällig am 11. Januar 2017 unseren 20. Hochzeitstag ...“ Der Druck ist riesig, klar.

Wie wollen Sie verhindern, dass die Laeiszhalle in der öffentlichen Wahrnehmung in den Schlagschatten der Elbphilharmonie gerät?

Lieben -Seutter: Auf lange Sicht mache ich mir keine Sorgen. Wir sehen und kommunizieren beide Häuser als gleichberechtigt. Aber es stimmt schon, dass alles momentan überwiegend auf die Elbphilharmonie achtet, Künstler, Sponsoren, aber auch die Politik.

Gibt es inzwischen konkrete Überlegungen, was jenseits des Konzertprogramms passieren soll, um die Elbphilharmonie als Musik-Adresse zum Haus für alle, aber auch zum Haus für so ziemlich jede Tageszeit zu machen?

Lieben -Seutter: Es gibt genug, das Problem dabei sind die zur Verfügung stehenden Räume. Wir haben ja keinen zusätzlichen Probensaal, in dem die Orchester unter den gleichen Bedin-gungen wie im Großen Saal proben können, daher geht viel Saalzeit für die Proben drauf. Aber wir haben im 2. und 3. Kaispeicher-Geschoss einen Bereich, der „Kai-Studios“ heißt. Das ist unser Education Department, wo auch tagsüber Angebote stattfinden. Auch das Klingende Museum zieht dort mit ein. Das Thema Musikvermittlung ist jetzt schon groß und es wird größer werden. Nicht zuletzt nehmen wir den Anspruch des Bürgermeisters sehr ernst, dass jedes Schulkind zumindest einmal in der Elbphilharmonie gewesen sein muss. Und damit ist natürlich der Große Saal gemeint. Im Kaistudio finden die vorbereitenden und zusätzlichen Angebote statt.

Gibt es inzwischen eine Lösung für das Bestimmer-Problem von Ihnen, Kent Nagano und Thomas Hengelbrock bei der Lufthoheit über dem „Internationalen Musikfest“?

Lieben -Seutter: Da haben wir uns gut arrangiert. Es gibt keinen allein herrschenden Kopf, sondern es werden unter meiner Koordination schöne Projekte ausgedacht. Das geht eigentlich recht problemlos.

Was machen Sie, wenn es mit dem 11.1.17 doch nichts werden sollte?

Lieben -Seutter: Keine Alternativplanung. Wir haben alles auf diesen Termin gesetzt. Der wird es jetzt werden.