Hamburg. Revolverheld spielt in der Friedrich-Ebert-Halle in Hamburg-Heimfeld für MTV Unplugged. Dort wurde schon Popgeschichte geschrieben.

Auf Parkbänken und bei Canasta-Abenden erzählen die Alten noch von Zeiten, als der Musiksender MTV das popkulturelle Leitmedium schlechthin war, und die Akustik-Konzertreihe „MTV Unplugged“ zu einer stilbildenen Marke wurde. Das ist sie geblieben, wenn an diesem Donnerstag und Freitag die Hamburger Band Revolverheld ihr „MTV Unplugged“-Konzert in der ausverkauften Friedrich-Ebert-Halle aufzeichnet. Aber schauen wir kurz zurück.

1989 waren Squeeze, Syd Straw und Elliot Easton die ersten Künstler, die für MTV unverstärkt spielten. Und als mit Paul McCartney 1991 der erste Megastar ohne Stecker auftrat und mit dem entsprechenden Live-Album einen Riesenerfolg feierte, wollten sie alle ohne Strom mit dem Strom schwimmen: Eric Clapton, Nirvana, R.E.M., Pearl Jam, Bob Dylan, Bruce Springsteen. Die Besten der Besten der Besten, Sir! Ein „Unplugged“-Auftritt war ein wahrer Ritterschlag, den als erster Deutscher – natürlich – Herbert Grönemeyer 1994 empfing, gefolgt von den Fantastischen Vier, den Ärzten, den Toten Hosen und den Söhnen Mannheims.

Mittlerweile ist MTV kulturell ein Relikt der 80er- und 90er-Jahre, MTV Deutschland in den Niederungen des Pay-TV-Anbieters HD+ verschwunden und auch die „Unplugged“-Reihe hat viel von ihrem Nimbus verloren, seit ungezählte Bands auch ohne MTV-Logo ein Akustik-Album nebst Tour anbieten. Dazu kommt auch eine wahre „MTV Unplugged“-Inflation deutscher Künstler: Sido, Udo Lindenberg, noch mal die Fanta4, Scorpions, Max Herre, Gentleman, demnächst Cro. Gentleman spielt sein „MTV Unplugged“-Programm übrigens am Sonnabend in der Hamburger Sporthalle nach.

Udo Lindenberg unpluggte auf Kampnagel, die Ärzte im Albert-Schweitzer-Gymnasium in Ohlsdorf, Revolverheld hingegen wählte das Friedrich-Ebert-Gymnasium in Heimfeld. Denn der Saal der Friedrich-Ebert-Halle ist nicht nur für seine gute Akustik bekannt, sondern schrieb auch Popgeschichte: Hier nahmen die Beatles 1961 mit Tony Sheridan „My Bonnie“ auf, der vielleicht wichtigste kleine Schritt ihrer Weltkarriere. Unvergessen ist auch ein Auftritt von den Dead Kennedys und Slime im Dezember 1982. Während Punker das Mobilar im bestuhlten (!) Saal zerlegten, kloppte die Polizei im Keller Skat. Aber mit Ausschreitungen ist bei Revolverheld nicht zu rechnen. Seit dem ersten Album vor zehn Jahren prägt ein hochemotionaler Kuschelfaktor die Lieder, die Johannes Strate, Kristoffer Hünecke, Niels Grötsch, Jakob Sinn und Chris Rodriguez intensiv einübten.

Zwar entspricht der Großteil der Songs dem Programm der letzten Tournee, aber „wir haben zwei Monate lang geprobt und sind dabei fast irre geworden, aber wir haben die Lieder komplett auf links gedreht“, wie Sänger Johannes Strate am Mittwoch bei der Generalprobe vor Familie, Freunden und geladenen Gästen verspricht.

Nicht zu viel versprochen. Das erste Set vor Kneipenkulisse – inklusive Zecherchor – präsentiert „Bands deiner Jugend“, „Spinner“ mit Gastsängerin Annett Louisan, „Ich werd’ die Welt verändern“ oder „Das kann uns keiner mehr nehmen“ sehr ausgebremst, aber interessant instrumentiert mit Piano, Banjo, Akkordeon, Schreibmaschine oder – lustige Idee – in den Bauch einer Gitarre gesungen. Allerdings fehlt diesem ersten, von Revolverheld selbst arrangierten Teil noch etwas Dynamik. Zwei weitere Sets wurden von Profi-Produzenten Jonas David und Lillo Scrimali kreiert, und das hört man durchaus deutlich.

Der nächste Akt steigt bühnenbildlich auf ein Hochhausdach, auch akustisch erweitert sich der Horizont. „Immer in Bewegung“, „Lass uns gehen“ und „Darf ich bitten“ klingen schwungvoll und mitreißend, auch weil Das Bo, dieses seit Jahren in der Hamburger Szene herumgereichte Hip-Hop-Maskottchen, ein paar Raps einstreut. Marta Jandová, Sängerin von Die Happy, bezirzt Strate und das Publikum beim Duett „Halt dich an mir fest“.

Beim Finale im Strandambiente wird groß mit Streichern aufgefahren. Mark Forster singt „Worte die bleiben“, mit Michel van Dyke wird der Echt-Heuler „Du trägst keine Liebe in dir“ intoniert und Johannes Oerding begleitet „Sommer in Schweden“. Oerding versteht das Konzept des Duetts übrigens am besten mit einer tollen Zweitstimme, gesanglich der Höhepunkt des langen Abends. Bis zum letzten Lied „Freunde bleiben“ vergehen mit zwei Umbaupausen (und drei pannenbedingten Liedwiederholungen) viereinhalb Stunden. Dafür erleben die Fans aber auch ein besonderes Konzert. Für alle anderen bleiben die „Bands deiner Jugend“. Eric Clapton. Nirvana. Am besten natürlich: mit Stromgitarren!