Hamburg. Bandleader James Last feierte in der O2 World mit 3500 Hamburger Fans Abschied von der Bühne

Hoffentlich hat das James Lasts Ehefrau Christine nicht gehört. Eigentlich soll es am Donnerstag in der O2World der letzte Auftritt von Deutschlands erfolgreichstem Bandleader in Hamburg sein. „Hansi“ ist 85 Jahre alt, hatte 2014 eine lebensbedrohliche Erkrankung, und „auch meine Frau hat gesagt, dass sie doch mal mehr von mir haben will – und sie hat recht“. Das erzählte er dem Abendblatt einige Tage vor dem Auftritt. Aber als er in den Saal blickt, überkommen ihn schon wieder Zweifel, was die finale Tournee angeht: „Ich bin nicht ganz sicher“, sagt er. Das Publikum applaudiert erleichtert, und Christine schaut wahrscheinlich streng.

Aber vielleicht ist es doch an der Zeit, der Bühne den Rücken zu kehren. Zwar schnippt er wie eh und je den Takt mit, als sein Orchester die Filmhits „Theme From Rocky“, „Now We Are Free“ (aus „Gladiator“) und „Pirates Of The Caribbean“ spielt, aber dem König der Stimmungsmusik, des Easy Listenings, des Happy Sounds gehen so langsam die Untertanen aus. Kamen vor zwei Jahren immerhin noch 5500 Fans in die Arena, so sind es bei der vermeintlich letzten Gelegenheit, Hansi live zu erleben, nur noch 3500. Sein mitgereiftes Publikum geht, so ist das nun mal, den Weg alles Irdischen. Und der Nachwuchs hört die Lieder von Katy Perry („Roar“) oder One Direction („Story Of My Life“) lieber von den Originalinterpreten, auch wenn einige Kinder wild in der ersten Reihe tanzen. Putzig.

In der Pause erinnern sich einige Gäste am Bierstand noch an die legendären „James Last Partys“ in den 70er- und 80er-Jahren in der Ernst-Merck-Halle. Da war noch richtig Halligalli angesagt, wenn Bachs Präludium mit Stromgitarren aufgebrezelt wurde oder Chatschaturjans Säbeltanz über die Notenblätter fegte. Zwar strömt das Publikum auch dieses Jahr beim „Deutschen Medley“ vor die Bühne, aber insgesamt ist das Orchester deutlich lebendiger als die Zuhörer. Dizzy Gilles­pies Jazzstandard „A Night In Tunisia“ und „Happy“ von Pharrell Williams hebeln die Musiker aus den Sitzen, das Ensemble winkt, wedelt, tanzt. Die Panflöte tutet bei „Der einsame Hirte“, die Streicher seufzen bei „Biscaya“. Es geht quer hin und her durch das ganze Angebot von James Lasts breiter Klangpalette. Diesem unnachahmlichen, multifunktionalen Sound. Partykeller und Royal Albert Hall, TV-Serienvorspann und Supermarkt-Käsetheke, Hansi hatte überall seine schnippenden Finger drin. Was er anfasste, wurde zu Goldenen Schallplatten, mehr als 240 davon hat er im Laufe der Jahrzehnte angehäuft.

Und jetzt der Schwanengesang, „You Are So Beautiful“ zirpt das Orchester, der „Reel Express“ inspiriert zu einer kleinen Polonaise im lückenhaft besetzten Rund. Dabei kann wohl keiner die Lücke füllen, die Hansi hinterlassen wird. Auch der Bandleader hat eine so weise wie ironische Antwort auf die Frage nach seinem Nachfolger: „Das Internet. Da sind eine Menge Sachen von mir drin.“

Nach zwei Stunden heißt es „Guten Abend, gute Nacht“ mit „Glad You ­Came“ von The Wanted. James Last bedankt sich für das Kommen, schüttelt Hände und spielt das finale „Party Rock“-Medley gleich zwei Mal hintereinander. Wir werden Hansi noch sehr lange Zeit überall wieder begegnen, in Partykellern, in Serienvorspännen und an Käsetheken. Nur nicht auf der Bühne, so wie es aussieht. Aber wer weiß, vielleicht fühlt sich der Hirte seines Orchesters schnell einsam ohne seine Musiker. Und klatscht in die Hände, schnippt den Takt an, trommelt sie zusammen. Für „Non Stop Music“.