Hamburg. Kristian Bader brilliert als Adolf Hitler in Axel Schneiders Inszenierung des Bestsellers „Er ist wieder da“ am Altonaer Theater.

Auch dem Führer schwant Böses. Noch steht er nicht seinen Mann, sondern liegt nur da, begleitet vom Gefiedel eines Musikers. Doch schon beim Hochkommen flucht er: „Hier ist irgend etwas außer Kontrolle geraten. Wo ist Bormann, wo ist Bormann?“ Seinen NSDAP-Vertrauten Martin Bormann wird Adolf Hitler ebenso wenig wiedersehen wie die toten Staatslenker Stalin, Mussolini oder Churchill. Mit Hitler jedoch und dem Umgang mit seiner Rolle als Verführer und Massenmörder gilt es sich wieder neu auseinanderzusetzen, da er 66 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Sommer 2011 in Berlin-Mitte erwacht: „Er ist wieder da“, heißt der Besteller des Autors Timur Vermes, der am Sonntagabend im Altonaer Theater als Bühnenfassung seine Erstaufführung erlebte.

Es ist eine Satire, eine Medien- und Gesellschaftssatire vor allem, die sich als Roman mehr als 700.000-mal verkauft hat. Und es ist zuvorderst ein Verdienst Kristian Baders, dass sie auf der Bühne zu großen Teilen gelingt. Der Schauspieler nimmt das Publikum als Hitler mit auf seinen komischen Erkundungs- und Streifzug durch die moderne Multikulti-Großstadt. Frappierend realistisch ist seine Darstellung des Hitler, er trifft den Habitus und die Diktion mit dem rollenden „Rrr“, ohne in eine Parodie abzugleiten.

Diesen Hitler halten alle zunächst für einen mittellosen Comedian, angefangen von einem Kiosk-Besitzer (Ole Schloßhauer). Dessen Angebot eines Müsli-Riegels beantwortet Hitler auf seine Weise: „Die Versorgungsengpässe sind also immer noch nicht behoben?“ Nur kurz lässt Hitler die Hosen runter – seine staubige und verdreckte Führer-Uniform muss zur Reinigung, beim „Blitzreinigungs-Service Yilmaz“. Dort hält ihn ein Selfie-Jäger zwar noch für die TV-Figur „Stromberg“, doch schon bald wird Adolf Hitler selbst im Fernsehen landen.

Hier kommen die Medien richtig ins Spiel. Eine Produktionsfirma namens Flashlight engagiert ihn, um der „Verbarthisierung“ à la Mario Barth des Unterhaltungsfernsehens etwas entgegenzusetzen. Und als Adolf Hitler mit seinem Auftritt Comedian Ali Witzgür (Tobias Kilian), einem Mann mit in New York antrainiertem Migrationshintergrund, die Schau stiehlt, reißen sich die Fernsehfuzzis endgültig um ihn. „Sag ich doch, der ist anders als die anderen“, stellt die Produktionsleiterin (Kerstin Hilbig) zufrieden fest.

Ein neuerlichen Siegeszug des Diktators mithilfe der Medien, der eine zweite „Karriere“ als Schauspieler, Comedian und TV-Moderator starten kann. Die Medien- und Politikerschelte geht wie in Vermes’ Buch von Hitler aus. Das Perfide auch auf der Bühne: Erst lacht man noch über Hitler, dann mit ihm, wenn er sich etwa darüber wundert, dass die deutsche Wiedervereinigung von „einem großen Mann in Strickjacke“ (Kohl) vollendet wurde und es jetzt von „einer klobigen Frau mit der Ausstrahlung einer Trauerweide“ (Merkel) regiert wird.

Hitler bekommt schließlich sogar seine eigene Sendung, darf als Gast zum Thema vegetarische Ernährung Renate Künast von den Grünen begrüßen und kann die Showtreppe hinunterschreiten und seine Reden schwingen, in denen er nichts Humoristisches erkennen mag. Lars Peters Bühnenbild, das die jeweils neuen szenischen Elemente wahlweise von Links oder Rechts hereinfährt, trägt dem bis zum Ende gekonnt Rechnung. Und als die Fernsehkritiker für eine Sendung Hitlers sogar den Grimme-Preis feiern dürfen und „Sieg, heil!“-Rufe anstimmen, scheint das Böse auf die Spitze getrieben. Deutlich wird: Alle wollen mit Hitler Erfolge feiern und Geschäfte machen.

Altona-Intendant und Regisseur Axel Schneider, der aus Vermes’ Roman als erster deutscher Theatermann eine Bühnenfassung erarbeitet hat, hat bewusst versucht, die Schwächen des Romans, der zum Ende hin nicht ganz die satirischen Ansinnen halten kann, mit eigenen Ansätzen zu umgehen.

Mehr und mehr löst sich Bader im zweiten Teil von der hitlerschen Diktion, wenn er in seiner Rolle keine öffentlichen Auftritte hat. Hitler hat sich bewusst mit den Verhältnissen arrangiert, ist noch mehr Narziss als Nazi und nur noch ein bisschen Führer. Sogar eine Kussszene mit Produktionschefin Bellini wird ihm gewährt. Und indem Hitler auf die Oma seiner Sekretärin Vera (Elena Meißner) trifft, setzt Schneider einen eigenen leisen Akzent: Die Oma, hier einfühlsam verkörpert von Kerstin Hilbig, hat Vater und Geschwister durch die Nazis verloren und konfrontiert Hitler damit. Die Ambivalenz bleibt – trotz Hitlers Aussage: „Sechs Millionen tote Juden, das ist nicht witzig.“

Und wenn er die Zwickauer Terrorzelle als „mentale Rohrkrepierer“ bezeichnet, bleibt einem spätestens das Lachen im Halse stecken. Am Ende wird der Massenmörder selbst zum Gejagten, bekommt Drohbriefe und wird Opfer eines Überfalls.

Trotzdem wacht Hitler noch mal auf und blickt ins Scheinwerferlicht. Nicht nur deshalb ist und bleibt er ein deutsches und ein öffentliches Thema . Doch wenn ein Theaterstück wie dieses zur Diskussion und zum erneuten Nachdenken anregt, vor allem zwischen den unterschiedlich betroffenen Generationen, könnte es zumindest einen weiteren Zweck erfüllen als den der bloßen Unterhaltung. Das sollte es auch.

„Er ist wieder da“ wieder ab Mi 18.3.– 24.4., Altonaer Theater, Karten unter T. 39 90 58 70; www.altonaer-theater.de