Hamburg. Der beliebte Schauspieler sprach über Bruno Ganz, seine Rollensuche für das Stück „Er ist wieder da“ und den Faschismus im Alltag.

An der Rolle haben sich schon so einige Größen versucht – vor allem im Film und Fernsehen. Angefangen von Charlie Chaplin, der Adolf Hitler als eine Art Menetekel in „Der große Diktator“ bereits im Jahr 1940 spielte. Spätestens seitdem der deutsch-ungarische Autor Timur Vermes mit seinem Debütroman „Er ist wieder da“ 2012 und 2013 monatelang die „Spiegel“-Bestsellerliste anführte, scheint Hitler auch hierzulande Teil des Unterhaltungsgeschäfts und demokratisch legitimierten Lesebetriebs geworden zu sein.

In Vermes’ Satire wacht der 56-jährige Hitler im Berlin des Jahres 2011 wieder auf und erzählt aus der Ich-Perspektive, wie er eine zweite „Karriere“ starten kann – weil ihn Deutschland und die Welt für einen Schauspieler und Komödianten hält. Das Altonaer Theater (Motto: „Wir spielen Bücher“) bringt am Sonntag als erste deutsche Bühne in der Regie von Intendant Axel Schneider eine Adaption des Bestsellers heraus. Die Hauptrolle spielt Kristian Bader, 50.

Ob es schon eine Antwort des Schicksals auf „unser Unterfangen“ sei, dass ihn kürzlich wieder mal ein Hexenschuss niedergestreckt habe, unkt der Hamburger Schauspieler und Kabarettist vor dem Interview am Küchentisch – in der Hand eine Tasse Tee und im Rücken eine Wärmflasche. Seit fast 15 Jahren ist Bader als „Caveman“ bekannt, seit gut einem Jahr spielt er im Schmidts Tivoli zudem seinen Solo-Theaterabend „Auf und Davon! Nackt über die Alpen“. Nun auch noch Adolf Hitler.

Hamburger Abendblatt: Herr Bader, wollen Sie jetzt – zehn Jahre nach dem Erfolg des Kinodramas „Der Untergang“ – in „Er ist wieder da“ Hamburgs theatrale Antwort auf Bruno Ganz werden?
Kristian Bader: Ohne Bruno Ganz’ schauspielerische Leistungen im Geringsten schmälern zu wollen und zu dürfen, sage ich ganz unbescheiden: Ich will nicht nur antworten – ich will es sogar noch besser machen! Aber vielleicht ist das schon ein Hauch Größenwahn, der durch die Rollenarbeit von mir Besitz ergriffen hat. Jedoch hat Bruno Ganz ja für den Film nicht nur Lob bekommen! Und unser schauspielerischer Ehrgeiz muss immer sein, die bestmögliche Arbeit abzuliefern.

Wie sind Sie überhaupt zur Bühnenrolle des Adolf Hitler gekommen?
Bader: Die Vorgeschichte liegt im Stück „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ an den Kammerspielen, in dem zwei Schauspieler sich über mich lustig machen, dass ich den Hitler ja noch gar nicht spielen durfte, folglich also nicht mitreden dürfe! Das konnte Axel Schneider als Intendant dann wohl nicht mehr mit ansehen ... Aber im Ernst: Ich habe mich in der Produktion „Auto, Auto!“ mit Christian von Richthofen schon intensiv mit den Reden Hitlers beschäftigt, um den Gestus, die Mimik und den Sprachduktus möglichst gut zu treffen. Und neben Christian von Richthofens unglaublicher Musikalität wurde die Show durch die Szene „Hitler beim TÜV“ – übrigens von Stefan Gwildis geschrieben – zum Riesenerfolg. Das hat dann wohl den Ausschlag gegeben, mir die Rolle anzubieten.

Welche besondere Vorbereitung erforderte die Figur jetzt für Sie?
Bader: In „Er ist wieder da“ geht es nun darum, noch mehr Authentizität, noch mehr Realismus in der Darstellung hinzukriegen und nicht in der kabarettistischen Übertreibung steckenzubleiben. Das ist nicht so einfach, da wir ja alle nur diese grotesken Wutreden mit verrenkten Gesten und aus dem Kopf tretenden Augen Hitlers vor Augen haben und seine leisen, schmeichlerischen und tückischen Wesensarten größtenteils unbekannt sind.

Und wie schaffen Sie sich den Hitler drauf, wie lange dauert so etwas?
Bader: Mittlerweile werde ich sicher vom Staatsschutz überwacht, weil ich mir inzwischen wohl alles angesehen habe, was das Internet über Hitler zur Verfügung stellt! Zwar bin ich froh, wenn ich mal wieder normal sein kann –­ ich werde mir schon aus dem Grunde kein Bärtchen wachsen lassen –, aber die Rollensuche begleitet einen schon den ganzen Tag, weil man immer denkt: Wie hätte „er“ diese ganz normalen – und uns nicht überlieferten Tätigkeiten wie Tee trinken, Brot essen, aufs Klo gehen, Duschen, Abwaschen etc. gemacht? Das probiere ich dann mal aus – für die Familie manchmal nicht leicht zu ertragen.

Welcher Reiz steckt für einen Schauspieler eigentlich darin, einen Massenmörder zu spielen?
Bader: Vermes’ Satire ist ja in gewisser Hinsicht ein Versuchsaufbau: Wie gehen die Medien mit dem personifizierten Bösen um, und wem nützt das Spiel mit dem Feuer heute eigentlich? Wir haben heute TV-Sender, die mit Horrormeldungen um Einschaltquoten buhlen, wir haben Zeitungen, die mit einfachsten Überschriften Käufer anlocken, und dasselbe Prinzip finden wir im Internet. Insofern geht es jetzt nicht nur darum: Was reizt mich an der Rolle Hitler, sondern auch, welche Funktion übernimmt er, und wie gehen die anderen damit um?

Ist Hitler in Deutschland und darüber hinaus nur noch eine Witzfigur in Literatur und Theater?
Bader: Bei uns im Stück spiele ich keineswegs eine Witzfigur, die mit wilder Gestik und schnarrendem „Rrr“ letztlich nur lachhafte Kabarettfigur ist. Ich versuche das, was wir über ihn wissen, in die heutige Zeit zu übertragen, zu fragen, was hätte er mit seiner Weltanschauung über unsere Zeit gesagt, und was sagt das über uns? Wie schauen wir auf unsere ausländischen Mitbürger? Wie viel Nationalismus steckt in jedem von uns? Inwieweit halten wir uns für den Maßstab aller Dinge, etwa hinsichtlich der Wirtschafts- und Finanzpolitik?

Eine Kritik am Bestseller „Er ist wieder da“ lautete auch, er verharmlose Adolf Hitler ...
Bader: ... Der Roman hat die Schwierigkeit, eine interessante Ausgangsüberlegung bis zum Ende durchzuziehen. Wir können schon rein zeitlich gar kein Gesamtwerk auf die Bühne stellen und können die Schwierigkeiten des Buchs etwas umgehen, weil wir uns das Beste rauspicken können und die schwächeren Passagen überspringen. Noch mal: Es ist ja keine Biografie Hitlers, die Vermes schreiben wollte, sondern es ist hauptsächlich ein Gedankenspiel. Verharmlosend ist das Ganze nur, wenn man den enormen Schrecken der realen Figur und den Horror, den sie verbreitet hatte, zugunsten eines schnellen Lachers verwurstet.

Wie viel Hitler steckt denn heute noch in manch männlichem Wesen und in der deutschen Gesellschaft?
Bader: Mal abgesehen vom Faschisten in jedem männlichen Autofahrer, der jeden Autofahrer mit weniger PS unter der Motorhaube als Menschen zweiter Klasse sieht, ist es eine durchaus ernste Frage, die wir alle, egal ob Frau oder Mann, uns stellen sollten. Jedes Jahr sterben Tausende Afrikaner, die sich auf den Weg zu uns machen, obwohl sie gerettet werden könnten. Wir verweigern sehenden Auges Kriegsflüchtlingen unsere Unterstützung. Mit welcher Arroganz urteilen wir über den durchschnittlichen griechischen Staatsbürger und sprechen ihm das Recht auf medizinische Versorgung, Bildung und Freizeit ab, weil wir finanzielle Interessen in den Vordergrund stellen? Ich frage mich, wie die Geschichtsschreiber in 50 Jahren über uns urteilen, wenn das ganze Ausmaß der humanitären Katastrophe irgendwann feststeht und unsere Enkel uns fragen: Habt ihr davon wirklich nichts gewusst?

Letzte Frage zu Ihrer näheren Zukunft: Welche Romanfigur oder Person der Zeitgeschichte würde Sie als Schauspieler noch mal reizen?
Bader: Wenn Ben Kingsley das nicht schon getan hätte, müsste ich zum Ausgleich jetzt wohl erst mal Mahatma Gandhi spielen.

„Er ist wieder da“ Premiere Sonntag 15.3., 19 Uhr, bis 24.4., Altonaer Theater, Karten: T. 39 90 58 70