Die ARD-Komödie „Vorsicht vor Leuten“ ist vielleicht der lustigste Film des Fernsehfrühjahrs. Das Drehbuch stammt von Ralf Husmann.
„Vorsicht vor Leuten“ heißt dieser Film – ausgerechnet, möchte man sagen. Denn zur Vorsicht besteht hier für den Zuschauer (den man ja durchaus bisweilen vor öffentlich-rechtlicher Komödienkost warnen möchte) keinerlei Veranlassung. Die beteiligten „Leute“ nämlich sind es, die diese ARD-Komödie zum wahrscheinlich Lustigsten machen, was der Fernsehmonat so hergibt. Die Leute, die hinter der Kamera für unaufdringlichen Dialogwitz, Besetzung und Regie verantwortlich zeichnen, und jene, die vor der Kamera mit sichtlichem Spielvergnügen die skurrilen und trotzdem erstaunlich glaubwürdigen Charaktere verkörpern.
Der Regisseur ist Theaterfan, was seiner Fernseharbeit unbedingt zugutekommt
„Vorsicht vor Leuten“ ist das mit Abstand beste Beispiel dafür, was alles gelingen kann, wenn das Team stimmt und – keine Selbstverständlichkeit – der Sender diesem Team auch dann vertraut, wenn weder Jan Josef Liefers noch Veronica Ferres oder Katja Riemann die tragenden Rollen übernehmen. Weil der verantwortliche Regisseur Arne Feldhusen nämlich ein Theaterfan ist und schon für seine feine, groteske und liebevoll inszenierte Serie „Tatortreiniger“ vor allem Schauspieler der großen (Hamburger) Sprechbühnen engagiert hat. Theaterstars, keine Fernsehstars. Weil er die selbst am tollsten fand, weil die Chemie stimmte, weil so der Fokus auf den Figuren liegt und nicht auf den Namen im Vorspann.
Und so hat es Feldhusen also auch diesmal gehalten: Wer unter dem Intendanten Frank Baumbauer oder jetzt unter Karin Beier ins Schauspielhaus gegangen ist und geht, wird sich schnell vorkommen wie bei einem Klassentreffen. Ensemblemitglied Charly Hübner, den natürlich auch Nichttheatergänger mindestens aus dem „Polizeiruf 110“ kennen, dessen Ehefrau und fabelhafte Ensemblekollegin Lina Beckmann, der in Hamburg groß gewordene Burgschauspieler Michael Maertens, die schnippische Marion Breckwoldt, außerdem Natalia Belitski vom Deutschen Theater in Berlin. Dazu Textzeilen aus der Feder des „Stromberg“-Autors Ralf Husmann, nach dessen gleichnamigem Roman Husmann selbst das Drehbuch verfasste und die zum Beispiel so klingen: „Wenn einer sich schon Hajo nennt! Hajo ist so was wie Detlef für Abiturienten!“ oder „Wer Schnitzel will, muss Schweine schlachten. Mit einem Herz aus Buttercreme kommst du da nicht weiter.“
„Eigentlich spiele ich vor allem für meine Eltern“, sagt Michael Maertens, dessen Vater Peter Maertens am Thalia Theater gewissermaßen zum Inventar gehört. „Aber in diesem Fall habe ich auch ein bisschen für Arne Feldhusen gespielt.“ Maertens spielt den lackaffigen Hochstapler Alexander Schönleben, der die Reichen ausnimmt, um – nun ja, nicht gerade den Armen zu geben, aber sich selbst ein Champagnerleben zu ermöglichen. Charly Hübner ist sein Gegenpart Lorenz Brahmkamp „von der Stadt“, ebenfalls ein notorischer Schwindler, nur leider auf Arme-Würstchen-Niveau. Brahmkamp kommt dem Betrüger auf die Schliche, will aber vor allem seine Ehe mit Katrin (Lina Beckmann) retten, die sich doch so sehr wünscht, er möge einmal aus der bräsigen Durchschnittlichkeit ausbrechen. Was er – anders vielleicht als von ihr erwartet – schließlich auch tut. Die Wahrheit verbiegen kann er ja.
„Ich halte uns Schauspieler eigentlich alle für totale Lügner und Hochstapler“, sagt Michael Maertens gelassen, insofern kommt das Sujet den Akteuren vielleicht entgegen. Vor allem aber lobt er, der mit seinem Vater auch schon für eine (durchgängig in Reimen verfasste!) „Tatortreiniger“-Folge vor der Kamera stand, die Zusammenarbeit mit Regisseur und Autor: „Arne Feldhusen ist ein zurückhaltender Mensch, aber wahnsinnig genau. Er ist ein langsamer und gründlicher Regisseur, der auch darauf achtet, dass wir Schauspieler die Texte nicht nach Gusto verändern. Und das ist auch richtig so, denn Ralf Husmanns Texte sind auch sehr genau und eben darum lustig.“ Zu viert haben Hübner, Beckmann, Belitski und Maertens einen Tag geprobt, bevor die eigentlichen Dreharbeiten begannen, beim „Tatortreiniger“ waren sogar zwei von insgesamt nur sechs Produktionstagen der Probe gewidmet. Das ist ungewöhnlich, aber konsequent. Und vermutlich Teil des Erfolgsrezepts.
Vielleicht ist das Besondere an der Geschichte um den vermeintlich erfolgreichen Baulöwen, der Investoren prellt und nicht ganz zufällig an Jürgen Harksen oder Bernie Madoff erinnert, der gekonnte Balanceakt zwischen theatraler Übertreibung und Wiedererkennungswert. „Man kennt doch diese Typen, die wir da spielen“, findet auch Maertens. Seinen schleimigen Braungebrannten einerseits und Charly Hübners linkischen Looser andererseits, der nicht mal seine Dusche repariert kriegt und dessen Frau irgendwie folgerichtig zu einem Hajo aus dem Tanzkurs überläuft.
Der Titel „Vorsicht vor Leuten“ kommt übrigens aus einer Beobachtung des Autors Husmann, der in einer spanischen Strandbar das eigenwillig ins Deutsche übersetzte Schild als Warnung vor Taschendieben sah und die „tiefere Wahrheit hinter der sprachlichen Panne“ erkannte. Diese Beobachtungsgabe, der Blick für scheinbare Beiläufigkeiten ist es, die Schauspieler, Regisseur und Autor teilen. „Der grandiose Jörg Fauser hat mal sinngemäß geschrieben, die großen Fragen der Menschheit gehen in die Richtung ,ob’s noch was zum Nachtisch gibt und wann wir endlich wieder einen heben‘“, fasst Husmann das Gespür für die wesentlichen Randaspekte zusammen. „Besser kann ich’s leider auch nicht sagen.“
„Vorsicht vor Leuten“, 20.15 Uhr, ARD