Am Freitag erscheint das neue Studioalbum „Oldschool“ von Nena. Ein Gespräch über vermeintliche Berufsjugendlichkeit und Lebenswerke.

Hamburg. Als Nenas Stern im Jahr 1982 in der TV-Show „Musikladen“ aufging, war sie noch ein Mädchen im roten Minirock. Jetzt, wo sie im Alter von 54 Jahren am Freitag ihr 18. Album „Oldschool“ veröffentlicht und lieber rote Lederhosen trägt, ist sie dreifache Großmutter. Aber davon sieht man wenig beim Treffen in einem Hamburger Hotel. Schwarzer Pony, dunkler Kajal, kichern – das innere Kind hat sie sich offensichtlich bewahrt.

Hamburger Abendblatt: Nena, zuerst ein Kompliment: Letztes Jahr wünschte ich in einem Artikel, dass mehr Frauen E-Gitarre spielen sollen. Am besten die Fender Telecaster, weil es umwerfend aussieht. Und wenig später standen Sie im Stadtpark mit Telecaster auf der Bühne. Klasse. Alles richtig gemacht.

Nena: Die hat mir Jim Rakete in den 80ern geschenkt. Die ist cool und spielt sich auch sehr gut.

Spielen Sie viel Gitarre?

Nena: Ich habe wieder angefangen. Früher als Teenager saß ich immer auf dem Bett und habe mit drei Akkorden Donovan und Rolling Stones geschrammelt. Später habe ich das immer mal wieder integriert, aber seit zwei Jahren möchte ich da endlich richtig einsteigen. Ich werde sicher kein Virtuose mehr werden, aber es macht Spaß, mehr als drei Akkorde spielen zu können.

Gitarre ist ja alte Schule. „Oldschool“, um zum Titel Ihres neuen Albums zu kommen. Das ist allerdings sehr „Newschool“ ausgefallen und erinnert beim Hören an Santigold, Lady Gaga, auch Kraftklub oder The Strokes. Ist das noch 100 Prozent Nena oder eher die Vision des Produzenten?

Nena: Das ist sicher die Vision von Samy Deluxe, der das Album ja produziert hat, aber er hat mich damit auch zu 100 Prozent abgeholt. Es gehören ja immer zwei dazu und ich lasse mich auch gerne führen.

Hamburgs Boss-Rapper schreibt Rock und Pop mit Nena? Klingt ungewöhnlich.

Nena: Wir sind uns begegnet und mochten uns auf Anhieb. Und ein paar Wochen später erzählte er, er hätte einige Songideen, ich solle doch mal vorbeikommen. Also bin ich in sein Studio gedüst. Das war die Initialzündung. Samy ist ein unglaublich wacher, kreativer Mensch, der mich sehr inspiriert. Wir haben nicht überlegt, was wir machen. Wir haben einfach gemacht.

„PI ich rechne mit allem“, ist besonders gut gelungen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen so tanzbaren Song von Ihnen gehört zu haben. Worauf tanzt Nena? Auf „Lieder von früher“?

Nena: Oh. Es gibt so viel unglaublich tolle Musik zum Tanzen, dass ich immer den Überblick verliere. Also greife ich mal tief in die Kiste: James Brown! Da gehe ich total ab.

Wie ein Teenager. Schon im September spielten Sie im Stadtpark das rotzig-punkige „Berufsjugendlich“. Darin singen Sie, dass Sie nicht ganz normal sind. Da gebe ich Ihnen recht ...

Nena: Oh, danke!

... sonst wären Sie nicht da, wo Sie jetzt sind. Stellen Sie sich tatsächlich die Frage, warum man sich mit 54 nicht jung fühlen darf? Auch das Lied „Peter Pan“ spielt darauf an.

Nena: Nicht ernsthaft. Ich denke nicht in Zeitabschnitten. Ja, ich werde älter und fühle gleichzeitig eine Jugendlichkeit in mir, die immer da ist. Es gibt ja ganz offensichtlich eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie eine Frau mit 54 Jahren zu sein und auszusehen hat. Und dann ist die auch noch dreifache Großmutter. Ich sach ma so, nä? Mit meinem inneren Kind bin ich verbunden und inzwischen auch mit meiner Vergangenheit.

Stichwort Vergangenheit: Sind die 80er-Jahre das Jahrzehnt, an das Sie oft zurückdenken, wie Sie im Lied „Ein Wort“ singen?

Nena: Die 80er-Jahre sind ein großer Teil meiner Vergangenheit und schwingen überall mit. Ich schwelge nicht in Erinnerungen, aber ich schaue gerne immer mal wieder in diese Zeit zurück und staune darüber, was so alles in ein einziges Leben passt. Solche Zeitreisen sind schön, machen mich aber nicht wehmütig.

Nicht wehmütig? Dagegen spräche aber „Betonblock“: „Kleine Löhne, große Preise, Großstadtleben, so ’ne Scheiße.“ Sie leben in Rahlstedt an der Schnittstelle zwischen Dorf und Großstadt, Wald und Beton. Gibt es auch schöne Seiten des Großstadtlebens?

Nena: Natürlich. Ich liebe Hamburg, auch meine zweite Heimat Berlin. Und Beton ist auch okay. Aber innerlich entferne ich mich immer mehr von dem Leben in der Großstadt.

Wo zieht es Sie hin? An das Meer, zu den Leuchttürmen?

Nena: Ich bin oft und gern an der Nordsee, ich mag aber auch die Berge. Solange ich Wald und Wiesen in der Nähe habe, ist alles in Ordnung.

Insgesamt entspricht das Album Ihrem Charakter: Es ist verspielt, jung, auch mal zickig, dann wieder tröstend­­, mütterlich, großmütterlich. Aber kein typisches Nena-Album. „Oldschool“ wird es wahrscheinlich schwer im Radio haben.

Nena: Deutsche Texte hatten es im Radio noch nie ganz leicht. Und ich freue mich natürlich, wenn meine Songs gespielt werden, aber ich habe sie nie für irgendwas passend gemacht. Und es geht mir auch nicht darum, immer wieder zu beweisen, dass ich als Künstlerin nicht stehen bleibe. Man kann ja gar nicht stehen bleiben, auch wenn ich gerne in bestimmten Situationen mal die Bremse ziehen würde. Das Leben geht weiter.

Udo Lindenberg, Annette Humpe oder Peter Maffay können ein Lied davon singen. Die haben schon vor Jahren ihren „Echo“ für ihr Lebenswerk abgeholt, was sie aber nicht davon abgehalten hat, weiter erfolgreich Musik zu machen. Was würden Sie sagen, falls Ihnen irgendwann in naher Zukunft dieser Preis in die Hand gedrückt wird? „Ja, das war’s“?

Nena: Ich würde diese Preise für ein Lebenswerk nie so negativ interpretieren. Ich hab mir auch schon einen abgeholt und ich lebe immer noch ... die „1Live Krone“, das war ... 2002? Es gab mal eine Phase in meinem Leben, da war jeden Freitag Preisverleihung. Koffer auf, Goldene Schallplatte rein, Koffer zu. Wie auf dem Fischmarkt. Und ich habe das sehr geschätzt und finde das auch immer noch sehr schön. Wenn die mir irgendwann den „Echo“ für mein Lebenswerk geben wollen – her damit!

Nena: „Oldschool“ Album (Sony Music) ab 27.2. im Handel, Konzert: Di, 24.3., 20.00, Mojo Club (U St. Pauli), Reeperbahn 1, Karten zu 75,70 im Vorverkauf; www.nena.de