Gestern „Deutschlands schönste Frau“ auf RTL, heute „Germany´s next Topmodel“ auf ProSieben: Auf den Privatsendern konkurrieren zwei Castingshows, die sich eigentlich nur oberflächlich unterscheiden.

Köln. Schönheit, so heißt es, liegt im Auge des Betrachters. Über das, was schön ist, lässt sich also trefflich streiten. Und genau das tun die beiden großen Privatsender RTL und ProSieben von dieser Woche an in zumindest indirekter Konkurrenz.

Da wäre zum einen Heidi Klum, die ab Donnerstag zum immerhin zehnten Mal einer Gruppe zumeist noch nicht volljähriger Mädchen verspricht, eine aus ihrer Mitte zu „Germany’s Next Topmodel“ zu küren. Ein Unterfangen, das in der Vergangenheit nicht gerade zu großen Erfolgen führte: Ein echtes Topmodel, das auf den Laufstegen der Welt unterwegs ist, hat man nach wie vor nicht gefunden. Dafür hat Heidi Klum eine Art modisches Perpetuum mobile entdeckt: Auch wenn die Quoten in den vergangenen Jahren eher durchwachsen waren, und die Finalistinnen inzwischen dazu neigen, sich aus den Verträgen mit der Agentur Oneeins herauszuklagen, die ganz zufällig der Heidi Klum GmbH & Co. KG gehört, dürfte das Geschäft mit der Schönheit nach wie vor einträglich sein. Immerhin ist der Nachschub frischer Gesichter für die Agentur gesichert, das Casting wird öffentlichkeitswirksam im TV organisiert, und man bleibt im Gespräch. Wenn man Heidi Klum heißt.

Für die Kandidatinnen bleibt nach Ende der Staffel mit Glück ein leidlich erfolgreiches Auskommen als Model oder je nach persönlicher Leidensfähigkeit und Neigung zur Selbstinszenierung eine Anschlussverwendung im Dschungelcamp oder anderen Sendungen des Privatfernsehens.

Klum hat ein so einfaches wie drakonisches Konzept der Schönheit: Sie entsteht im engen Zusammenspiel aus einem konsensfähig gutem Aussehen, zu dem natürlich ein Body-Mass-Index nahe am Untergewicht gehört, und dem Talent zur Selbstverleugnung. Denn es gilt zu tun, was immer der Kunde möchte, Körper und Geist einer möglichst umfassenden Selbstkontrolle zu unterwerfen und auf keinen Fall aus der Reihe zu tanzen. Nur dann – so suggeriert die Jury – winkt eine Karriere.

Die Persönlichkeit der Kandidatinnen hat nur insofern Relevanz, als die Kamera natürlich immer dann draufhält, wenn etwas Spektakuläres passiert, sich Animositäten oder Ängste auftun und den schönen Schein durchbrechen. Immer spektakulärere Fotoshootings sorgen dafür, dass auch die psychisch stabileren jungen Frauen an ihre Grenzen gelangen. Um danach von der selbst ernannten „Mutti“ Klum zurechtgewiesen zu werden. Auf Shootings unter Wasser, an Seilen hängend oder mit wilden Tieren kuschelnd müsse man stets vorbereitet sein als Vollprofi. Und wer sich weigert, mindert seine Chancen erheblich. Dazu gesellt sich der immense Gruppendruck, den die knapp postpubertären Nachwuchsmodels aufeinander ausüben.

Kretschmer will „wahre“ Schönheit finden

Ein vorgeblich anderes Konzept vertritt Guido Maria Kretschmer. Der Modedesigner schickt seit gut drei Jahren unbekannte und bekannte Menschen auf Einkaufstour, um die „Shopping Queen“ zu küren, jetzt hat er die Messlatte noch etwas höher gehängt: Nichts weniger als „Deutschlands schönste Frau“ will er finden. Die Sendungsbeschreibung klingt auf den ersten Blick wie der Gegenentwurf zu Klums Modelkaserne: Die „innere“, die „wahre“ Schönheit, die „emotionalen Geschichten echter Frauen“ sollen ausgelotet werden, die Gewinnerin werde zur „Botschafterin einer neuen Generation Frau“.

Zugute halten darf man Kretschmers Team, dass seine Kandidatinnen immerhin volljährig sind. Die 18- bis 30-Jährigen und die jenseits der 30 Jahre bilden zwei gleich große Gruppen. Und damit auch jeder sofort versteht, dass das Mainstream-Schönheitsideal in den Hintergrund rücken soll, ist die Zusammenstellung der Kandidatinnen kunterbunt, was Konfektionsgrößen, Haarlängen und Vorlieben für Körperschmuck angeht. Ein genauerer Blick auf das Format verrät aber schnell, dass es ganz so watteweich und menschenfreundlich dann vermutlich doch nicht zugehen wird: Die 20Kandidatinnen müssen sich diversen Herausforderungen stellen, sie wohnen für die Dauer der Show gemeinsam in einer Villa und entscheiden am Ende jeder Folge, wer rausfliegt. Die Cliquenwirtschaft wird bei Kretschmers Damen genauso schnell Einzug halten wie bei den Klum-Mädchen.

Die Mechanismen der Shows, sie ähneln sich mehr, als zunächst ersichtlich ist: Schönheit ist bei beiden ein Produkt der direkten Konkurrenz. Nur wer die anderen übertrumpft, ist wahrhaft schön. Und am Ende geht es auch hier nur um Unterhaltung.

Ob stromlinienförmige Katalogware im Teenie-Alter oder „normale Frauen“: Mit Schönheit haben beide Shows lediglich am Rande zu tun. Für den Zuschauer sind „Deutschlands schönste Frau“ und „Germany’s Next Topmodel“ letztlich austauschbar. In beiden wird ein voyeuristisches Bedürfnis nach inszenierten Konflikten bedient, das alles andere als schön ist.

„Deutschlands schönste Frau“ Mi 21.15 Uhr, RTL„Germany’s Next Topmodel“ Do 20.15 Uhr, Pro 7