Im sehenswerten ZDF-Zweiteiler „Tod eines Mädchens“ spielt Barbara Auer eine Ermittlerin, die in einen emotionalen Zwiespalt gerät. An ihrer Seite sind unter anderem Anja Kling und Heino Ferch zu sehen.
Barbara Auer ist wieder mal als Kommissarin unterwegs. Nach dem Abendblatt-Interview muss sie zu einem ersten Warm-up für die nächste „Nachtschicht“-Folge, die Lars Becker in den kommenden Wochen in Hamburg drehen wird. Darin spielt Auer die Kommissarin Lisa Brenner. Als „eine Frau ohne Privatleben“, beschreibt sie ihre „Nachtschicht“-Figur knapp.
Eine völlig andere Polizistin als die sachlich-kühle Lisa Brenner gibt Auer in dieser Woche in dem Zweiteiler „Tod eines Mädchens“. Hella Christensen heißt die Protagonistin. Sie arbeitet auf einer ländlichen Dienststelle, die nach Kiel verlegt werden soll. Mitten in den Umzug und zwischen gepackten Kartons wird Christensen mit einem Mord konfrontiert. Die Tochter einer Freundin ist tot aus der von einem Sturm aufgewühlten Ostsee gezogen worden. Das Entsetzen ist groß, denn jeder kannte das Mädchen.
Ein erster Verdächtiger ist schnell gefunden. Ein Junge aus einer betreuten Jugendeinrichtung wurde mit Jenni gesehen, doch er kann seine Unschuld beweisen. Die Stimmung wird noch angespannter, als Simon Kessler (Heino Ferch) auftaucht, der neue Chef von Christensen. Er tritt sehr ruppig auf und staucht seine Kollegin wegen ihrer Empathie für das tote Mädchen und deren Familie zusammen.
„Hella Christensen lebt mit ihrer Familie in einer überschaubaren Welt, in der jeder jeden kennt. Sie ist keine unprofessionelle Polizistin, aber mit Mord hatte sie bisher noch nie zu tun. Nach dem Tod von Jenni, der Tochter ihrer besten Freundin, bricht diese heile Welt auseinander. Nun muss sie gegen Nachbarn und Freunde ermitteln, das schürt Misstrauen und Ablehnung“, sagt Barbara Auer über diese Figur.
Die Drehbuchautoren Stefan Holtz und Florian Iwersen haben ein spannendes Drehbuch geschrieben, in der jede der wichtigen Nebenfiguren in Kesslers Visier gerät. Alibis stimmen nicht, Zeugen reden sich um Kopf und Kragen, weil jeder seine kleinen Geheimnisse hat. Es entsteht ein dichtes Geflecht von Verstrickungen. Für Hella Christensen werden die Ermittlungen zum Super-GAU, als ihr Sohn Martin (Chris Veres) wegen dringenden Tatverdachts festgenommen und sie von dem Fall abgezogen wird.
„Wäre sie sogar bereit, etwas zu vertuschen?“
„Dieser Zustand zerreißt sie beinahe. Sie hat einen Ehrenkodex als Polizistin. Doch als der Verdacht auch in ihre Familie schwappt, stellt sich ihr die Frage: Wie weit würde sie gehen, um ihre Angehörigen zu schützen? Wäre sie sogar bereit, etwas zu vertuschen?“, beschreibt Auer den Konflikt. Christensen wandelt auf einem schmalen Grat, doch Barbara Auer schafft es, die Zerrissenheit und Unsicherheit ihrer Figur in dieser Ausnahmesituation differenziert darzustellen, ohne zu überziehen. „Es war natürlich emotional anstrengend“, sagt sie. Doch das Unspektakuläre der Figur sei sehr reizvoll gewesen: „Hella ist zufrieden, liebt ihr Familienleben mit allen Höhen und Tiefen und wollte nie Karriere machen.“ Regisseur Thomas Berger („Die Flut ist pünktlich“) hat für seinen spannenden Zweiteiler eine ganze Reihe erstklassiger Schauspieler zur Verfügung gehabt.
Neben Barbara Auer sind Anja Kling, Gustav-Peter Wöhler, Johann von Bülow, Jörg Schüttauf, Rainer Bock, Hinnerk Schönemann, Nina Petri und Peter Striebeck dabei – und Heino Ferch als Hella Christensens Vorgesetzter Simon Kessler. Ferch zeigt hier zum wiederholten Mal, wie viel Tiefe er einer Figur geben kann. Er trägt ein Geheimnis mit sich herum, die neuen Kollegen in Kiel forschen nach seiner Schwachstelle, er soll einen Kollegen in Notwehr getötet haben und selber angeschossen worden sein. „Seine ruppige Art ist Schutz. Er feilscht nicht um Sympathie“, sagt Auer über ihren Gegenpart in „Tod eines Mädchens“.
Sie hat in der Vergangenheit schon oft mit Ferch gedreht, zuletzt in dem Ehedrama „Verratene Freunde“, in dem beide eine Affäre haben. „Es hat eine große Qualität, wenn man sich als Kollegen lange kennt und schätzt. Man muss sich gegenseitig nichts vormachen oder seinen Platz behaupten“, sagt Auer. Auch mit Rainer Bock, der in „Tod eines Mädchens“ ihren Ehemann spielt, hat sie in dem Kinofilm „Die Bücherdiebin“ zusammen gedreht, bei der kommenden, insgesamt bereits 13. „Nachtschicht“ ist Bock ebenfalls dabei.
Obwohl Barbara Auer, gerade durch die „Nachtschicht“, immer wieder Polizistinnen spielt, hat sie noch nie überlegt, ob sie im wirklichen Leben auch eine gute Ermittlerin wäre: „Wo zieht man die Grenze zwischen Mitgefühl und den Anforderungen des Jobs? Wie weit darf man in seiner Empathie für einen Täter gehen, und wie schützt man sich selber?“, fragt sie sich. Der besondere Fall der Hella Christensen wirft diese Fragen und Zweifel auf. Wenn sie demnächst als Lisa Brenner wieder zusammen mit Armin Rohde als Kommissar Erichsen dreht, ist die Beziehung zwar durch ihre jahrelange Zusammenarbeit klar, aber in der nächsten „Nachtschicht“ wird Lisa zum ersten Mal aus der Spur laufen und nicht wie so oft der nicht immer gesetzestreue Erichsen.
„Tod eines Mädchens“ Mo 9.2. und Mi 11.2., jeweils 20.15 Uhr, ZDF