Mit „Sie nannten ihn Dreirad“ veröffentlicht der Hamburger Entertainer Heinz Strunk ein neues Pop-Album zwischen Nonsens und Satire. Im Abendblatt-Interview spricht er über Unperfektes und Schlagertexte.

Hamburg. Vielseitigkeitskünstler Heinz Strunk hat sich nach Literatur, Theaterregie, Schauspiel, Film und Fernsehen nun wieder der Musik zugewandt. Mit „Sie nannten ihn Dreirad“ veröffentlicht er sein erstes reines Musikalbum, auf dem er nicht nur (sprech-)singend zu hören ist, sondern auch mit einprägsamem Querflöten-Spiel zu Synthesizer-Sound.

In den zwölf Songs verhandelt er so unterschiedliche Themen wie Regulierungswut („Geht Ja Gar Nicht“), Sex im Alter („Opa Làmour“) sowie seinen Hass auf TV-Gastronomen („Fernsehkoch“). Manche seiner Songtexte seien einfach „richtig gaga, frei flottierende Assoziationen“, erzählt Strunk. Für ihn selbst kaum greifbar. Und als wolle er sich stetig selbst überraschen, wechselt er auch in seiner künstlerischen Laufbahn durch die Identitäten und Ausdrucksformen.

Der Name Heinz Strunk ist zwar spätestens seit seinem Roman „Fleisch ist mein Gemüse“ geläufig. Doch auch dabei handelt es sich um ein Alter Ego von Mathias Halfpape, wie Strunk bürgerlich heißt. Jüngst trat er verstärkt als vermeintlicher Techno-Erfinder Torsten Bage in Erscheinung, unter anderem auf der Kinoleinwand in der Komödie „Fraktus“. Seine Talente verdichten sich aufs Amüsanteste, wenn der Entertainer auf der Bühne steht, wie bald in der Fabrik, wo er Auszüge aus seinem satirischen Ratgeber „Das Strunk Prinzip“ mit den neuen Songs zu einer Show verquickt.

Zum Interview lädt der 52-Jährige in seine Dachgeschosswohnung in Schanzennähe. Sonnenlicht fällt auf die lederne Sitzgruppe, Kaminholz stapelt sich an der Wand. Und Strunk erzählt von Musik-Überprodution und Theater-Stress, von Philip Roth und Peter Sloterdijk, von Unperfektion und Schlagertexten.

Hamburger Abendblatt: Der Albumtitel „Sie nannten ihn Dreirad“ erinnert an alte Bud-Spencer-Filme wie „Sie nannten ihn Mücke“. Sind Sie so etwas wie der Haudrauf des Subversiven, der Mann für den fein ziselierten Tabubruch?

Heinz Strunk: Mit den Tabubrüchen ist das so eine Sache. Alles ist schon von irgendjemandem in vielfältigster Weise gebrochen worden. Selbst ein Thema wie Sexualität im Alter ist ja bereits durchdekliniert, zuletzt mit einem Film wie „Wolke 7“. Es stimmt aber: Meine Songs sind ziemlich hart, etwa bei dem, was ich über Fernsehköche sage. Andererseits bin ich meiner Leidenschaft für Sprache treu geblieben und versuche, alles in schöne Bilder zu kleiden.

Was bei Ihrem Schaffen auffällt, ist das Spiel mit Rollen und Darstellungsarten. Es scheint immer noch ein weiteres Alter Ego, stets noch ein neues Medium dazu zu kommen. Woher kommt dieses Bedürfnis, sich derart auszubreiten?

Strunk: Wenn eine Sache fertig ist, gärt die nächste. Vielleicht wäre ich etwas weniger umtriebig, wenn die Nachfolge-Bücher von „Fleisch ist mein Gemüse“ ähnlich hohe Auflagen erreicht hätten. Aber so ein Leben wie Philip Roth wäre letztlich nichts für mich: Jedes Jahr ein Buch heraushauen. Ich würde schon in aller Unbescheidenheit sagen, dass ich ein paar Sachen ganz gut kann. Ursprünglich bin ich Musiker, das habe ich von der Pike auf gelernt. Dieses Album ist entstanden, weil ich Songs für „Fraktus“ machen musste. Das hat sich dann verselbstständigt, weil ich so einen hohen Output hatte.

Gibt es künstlerische Bereiche, in denen Sie sich wohler fühlen als in anderen?

Strunk: Ich kann nicht alles gleich gut. Als Schauspieler finde ich mich ganz okay, würde aber nicht sagen, dass es für eine Hauptcharakterrolle reicht. Theater finde ich sehr anstrengend. Rocko Schamoni, Jacques Palminger und ich haben Glück gehabt, dass wir als Studio Braun ganz ordentliche Ergebnisse hinbekommen haben. Aber den Weg dorthin habe ich zumindest als sehr steinig empfunden. Ich könnte mir nicht vorstellen, so wie Stefan Pucher oder René Pollesch im Jahr drei Theaterproduktionen zu machen. Das ist ein Stress, den ich nicht aushalten würde. Bei mir ist die Palette jetzt aber auch ausgeschöpft. Bildhauer oder Maler werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr.

In Ihren Werken ist Ihre Stimme stets äußerst präsent. Arbeiten Sie deren Besonderheit noch extra heraus?

Strunk: Nein. Ich habe einen S-Fehler. Meine Stimme könnte man niemals für Dokumentationen oder ernst zu nehmende Nachrichten verwenden. Sie ist nicht professionell ausgebildet. Die Leute finden meine Stimme aber offenbar in all ihrer Fehlerhaftigkeit gut.

Auch in einigen Ihrer neuen Songs geht es darum, das körperlich Unperfekte zu betonen – gerne in überspitztem Maße. Im Heft zur CD sagen Sie „Die Schönheit des normalen Menschen ist seine Hässlichkeit“. Eine Provokation für all die Selbstoptimierer unserer Tage?

Strunk: Es gibt zwei Fronten, bei denen ich selbst hin und her gerissen bin. Natürlich finde ich es falsch, sich völlig gehen zu lassen. Einfach immer dicker zu werden und nicht zum Zahnarzt zu gehen, käme für mich auch nicht in Frage. Aber diese Optimierungsgeschichte, dieses ewige Fit for Fun? Es gibt Menschen, die haben auch noch etwas anderes vor im Leben als fit zu sein. Das von ganz normalen Leuten zu erwarten, das finde ich unmenschlich.

Eine weitere These von Ihnen lautet: „Wenn man alles durchdacht hat, wird man wieder bei den Schlagertexten ankommen.“ Sie liebäugeln also mit der Welt einer Helene Fischer?

Strunk: Nein, ganz und gar nicht. Ich beziehe mich da auf die Hoch-Zeit des deutschen Schlagers in den 1970er-Jahren. Ich beschäftige mich seit Längerem mit diesen Liedtexten. Auch in meinem nächsten Roman über den Hamburger Serienmörder Fritz Honka, der 2016 erscheint, wird Schlager zitiert. Ich habe gerade Peter Sloterdijk gelesen. „Zeilen und Tage“. Ein Wahnsinn, was für Konstruktionen der benutzt. Wenn ich mir überlege: Der Journalist Wolf Schneider hätte da das Lektorat gemacht, dann wären aus einem langen Absatz zwei einfache Sätze geworden. Da wird Sprache als Abgrenzung praktiziert, damit es ja nur ein paar Eingeweihte verstehen können. Zwar kann man in Schlagertexten keine komplexen gesellschaftlichen oder politischen Zusammenhänge darstellen, das ist mir auch klar. Aber was das Emotionale angeht, ist der Schlager in seiner Einfachheit bestechend.

Ganz und gar nicht schlagerhaft ist das Plattenlabel, auf dem Sie nun veröffentlichen. Audiolith steht für die jungen Wilden. Wieso dort?

Strunk: Für mich ist das super, dass ich einerseits bei so einem renommierten traditionellen Buchverlag wie Rowohlt zu Hause bin und andererseits bei einem kleinen subkulturellen Label wie Audiolith. Das Album hat ja auch ganz und gar nichts mit Mainstream zu tun. Das ist sehr special interest. Die Songs werden auf jeden Fall nicht beim NDR gespielt werden.
„Das Strunk Prinzip“ live 23.+24.3., 1.4., Fabrik, Tickets zu 18,- zzgl. Geb.; www.heinzstrunk.de