„Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ Heute beginnt die neunte Staffel. Im Dschungelcamp ist nur eine Sache für die Teilnehmer schlimmer als der Spott.

Von Freitagabend an ist Deutschland wieder geteilt: Zumindest für zwei Wochen. Dann beginnt die neunte (!) Staffel der allgemein als Dschungelcamp bekannten Show „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“. Und kaum eine Fernsehsendung polarisiert so stark wie die Konsonantenprominenz-Kaserne des Privatsenders RTL.

Von den Feuilletons über die Online-Portale der Zeitungen und Magazine bis hin zum persönlichen sozialen Netzwerk bei Facebook, Twitter und Co.: Das Dschungelcamp wird auch in diesem Jahr wieder für zwei Wochen alle Kanäle besetzen, die die moderne Mediengesellschaft hergibt. Für den Sender RTL könnte es kaum besser laufen. Schon Wochen vorher wird über mögliche Kandidaten spekuliert, nach der offiziellen Bekanntgabe wird das mögliche soziale Mit- und Gegeneinander der Castingshowreste und ehemalig bekannten Fernsehgesichter diskutiert, gemutmaßt, wer bei welcher Sorte Ekelprüfung kneifen und wer sich durch extreme Leidensfähigkeit hervortun wird.

Und spätestens am Freitagabend, wenn die erste, fast drei Stunden lange Folge ausgestrahlt wird, geht es so richtig los. Schnell werden sich Lager bilden, die den einen oder anderen Kandidaten unterstützen, werden die alltäglichen Katastrophen und emotionalen Höhepunkte, die Freundschaften und Animositäten, die Beichten aus den Lebensgeschichten der Kandidaten besprochen, als ob es um die eigenen Freunde und Familien ginge. Die süffisanten Kommentare der Moderatoren Sonja Zietlow und Daniel Hartwich tun derweil ein Übriges, um auch noch den kleinsten Fehltritt zum diskussionswürdigen Skandälchen aufzuwerten.

Acht Millionen Zuschauer täglich

Im vergangenen Jahr verfolgten im Durchschnitt fast acht Millionen Menschen täglich das Dschungelcamp. Und beizeiten scheint es so, als ob es jedem Einzelnen von ihnen nicht mehr reichen würde, nur passiv zu konsumieren. Twitter-Feeds und Facebook Timelines von Fans wie Gegnern der Show füllen sich mit tausenderlei Kleinigkeiten aus dem Dschungel – die schiere Flut der Beiträge sorgt jedes Jahr aufs Neue dafür, dass digitale „Freundschaften“ zerbrechen.

Immerhin: Wer sich „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ aktiv verweigert, sei es aus Tierschutzgründen – Peta und andere Organisationen protestieren schon seit Jahren gegen Dschungelprüfungen, bei denen lebende Tiere eingesetzt werden – oder weil er die Sendung für moralisch zumindest fragwürdig hält, hat die Chance, in einen Dialog einzusteigen, mit den Fans der Show das Für und Wider des TV-Voyeurismus zu erörtern. Und mit etwas Glück sogar Gehör zu finden.

Wem die Prüfungen aber genauso egal sind wie die Kandidaten, dem steht eine harte Zeit bevor. Dem Dschungelcamp zu entrinnen scheint fast unmöglich. Die mediale Omnipräsenz der Show, sie ist es auch, die Jahr für Jahr wieder mehr oder weniger gescheiterte Existenzen dazu bringt, im australischen Busch ihr Innerstes nach außen zu kehren, sich auf zwei Wochen Dauerüberwachung, psychischen und physischen Ausnahmezustand einzulassen.

Wer beim Publikum einen guten Eindruck hinterlässt, dem stehen nach der Tortur zwar nicht alle Türen offen, Das Dschungelcamp ist sicher nicht das Allheilmittel gegen den Karriereknick. Aber die Teilnahme lohnt sich trotzdem nicht nur wegen der vermutlich deutlich fünfstelligen Gagen, die die Kandidaten bekommen. Jeder der elf, die sich ab Freitag den Prüfungen, den Moderatoren und nicht zuletzt den Camp-Mitbewohnern stellen, wird zumindest für die sprichwörtlichen 15 Minuten berühmt sein.

Sein Name wird nie mehr so oft in Kantinen- und Pärchengesprächen, in Zeitungsartikeln und Analysen von selbst ernannten „Persönlichkeitsexperten“, in Tweets, Status-Updates und Pressemitteilungen zu lesen und hören sein, wie während des Dschungelcamps. Und gerade in der Unterhaltungsbranche gilt nach wie vor, dass es nur eines gibt, was schlimmer ist, als die Tatsache, dass über einen geredet wird: Nämlich, dass nicht über einen geredet wird.

„Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“, Staffelstart Fr 21.15 Uhr, RTL, und im Live-Ticker bei abendblatt.de