Auftakt mit „Picasso in der Kunst der Gegenwart“: Die nördliche Deichtorhalle zeigt zur Wiedereröffnung eine Schau über die Einflüsse des Jahrhundert-Künstlers mit 180 Werken. Aber er selbst ist unsichtbar.
Hamburg. Mit dem 9. November 1989 war das Einweihungsdatum der zum Kunst-Ausstellungszentrum umgebauten Deichtorhallen suboptimal gewählt, was im geschichtsträchtigen Herbst 1989 freilich niemand ahnen konnte. Und daher fiel es auch nicht sonderlich ins Gewicht, dass das 25. Jubiläum im vergangenen Herbst aufgrund der andauernden Sanierungsarbeiten nicht fristgerecht begangen werden konnte. Doch hält sich die Verzögerung einigermaßen im Rahmen, sowohl zeitlich, als auch finanziell.
Nach 16-monatiger umfassender Sanierung wird die der aktuellen Kunst vorbehaltene Nordhalle nun am 31. März wiedereröffnet. Etwa 16 Millionen Euro, knapp zwei Millionen mehr als ursprünglich veranschlagt, wird die Sanierung am Ende wohl kosten. Damit ist das denkmalgeschützte Bauwerk, das immerhin die Ausmaße eines Flugzeughangars hat, dann nicht nur baulich komplett instand gesetzt, sondern auch mit allen konservatorischen, sicherheits- und klimatechnischen Vorrichtungen ausgestattet, die für die Präsentation von Kunst heute international unverzichtbar sind. Außerdem, erklärte Geschäftsführer Bert Antonius Kaufmann am Dienstag auf der Jahrespressekonferenz, wird sich auch für die Besucher die Attraktivität deutlich erhöhen, zum Beispiel durch zwei neu geschaffene Ateliers für kulturelle Bildung sowie ein neues Bistro mit Außengastronomie.
125.000 Besucher trotz teilweiser Schließung
Trotz der Schließung der Nordhalle verzeichneten die Deichtorhallen, zu der auch die in Harburg ansässige Sammlung Falckenberg gehört, mit 125.000 Besuchern ein beachtliches Ergebnis. Dazu trug vor allem die eben zu Ende gegangene Leica-Ausstellung (52.000 Besucher) bei, als Erfolge hob Direktor Dirk Luckow aber auch die Schau mit dem Spätwerk des amerikanischen Malers Philip Guston und die Ausstellung „Secret Signs. Zeitgenössische chinesische Kunst im Namen der Schrift“, die noch bis 8. Februar bei Falckenberg läuft, hervor.
Zum Neustart im März gibt es eine Picasso-Schau, die spektakulär ist, obwohl nicht ein einziges Werk des Jahrhundert-Künstlers zu sehen sein wird. Unter dem Titel „Picasso in der Kunst der Gegenwart“ (1. April bis 12. Juli) geht es um die künstlerischen Nachwirkungen. „Picasso selbst hat das Spiel mit dem Vorbild geliebt, hat sich zum Beispiel auf Manet und Rembrandt bezogen. Und viele der namhaftesten Gegenwartskünstler haben Picassos Motive aus eigentlich allen Schaffensphasen aufgegriffen, sich angeeignet und vor dem Hintergrund des jeweiligen kulturellen und gesellschaftlichen Hintergrunds neu interpretiert“, sagt Luckow.
Georg Baselitz, Maurizio Cattelan und Robert Doisneau
Gezeigt werden 180 Werke von 80 Künstlern, zu denen Georg Baselitz, Maurizio Cattelan, Robert Doisneau, David Hockney, Jasper Johns, Martin Kippenberger, Paul Klee und Roy Lichtenstein zählen. Anschließend sind Wandarbeiten des Ende 2013 gestorbenen Malers, Fotografen und Bildhauers Günther Förg zu sehen, der die Auseinandersetzung mit der Architektur zum Ausgangspunkt seiner Kunst gewählt hat (31. Juli bis 25. Oktober). Ein vielschichtiges Konzept mit historischen Bezügen auch zu Hamburgs kolonialer Geschichte realisiert schließlich die aus dem Senegal stammende renommierte Kuratorin Koyo Kouoh in der Ausstellung „Streamlines. Metaphorische und geopolitische Interpretationen der Ozeane“, in der 18 zeitgenössische Künstler vertreten sein werden.
Höhepunkt im Jahresprogramm des in der Südhalle etablierten Hauses der Photographie wird ohne Zweifel die 6. Triennale der Photographie sein, die im Sommer zwar mit einjähriger Verspätung, dafür aber mit neuem, übergreifenden Konzept und erstmalig mit einem Kurator (dem Polen Krzysztof Candrowicz) startet. Das Zentrum soll ein Containerdorf an den Deichtorhallen bilden, das Haus der Photographie wird sich an diesem großen Hamburger Ausstellungsprojekt mit Fotografien, Inszenierungen und Installationen des in New York lebenden britischen Fotografen Phillip Toledano beteiligen (19. Juni bis 6. September). Die Schau steht unter dem von Candrowicz für die gesamte Triennale bestimmten Motto „The Day Will Come“, das sich auf ein Zitat aus dem Buch Jeremia bezieht. Anschließend sind die atmosphärischen Bilder der französischen Modefotografin Sarah Moon zu sehen, die selbst in Paris als Model gearbeitet hat, bevor sie 1968 ihre viel beachtete Fotografenkarriere begann (27. November 2015 bis 28. Februar 2016).
Bei Falckenberg in Harburg wird der Fokus erstmals wieder auf die Sammlung des Hausherrn gelegt, konkret auf die Neuerwerbungen. Jeder Ankauf wirft Fragen auf und gibt zugleich Antworten. Manchmal blickt der Sammler nach vorn, setzt auf das Potenzial eines noch nicht etablierten Künstlers. Manchmal füllt er aber auch Lücken oder erweitert das Spektrum der bisherigen Auswahl. „Selbstjustiz durch Fehleinkäufe“, der durchaus auch selbstironische Titel, ist einem Werk von Martin Kippenberg entlehnt, das sich selbstverständlich in Falckenbergs Besitz befindet (1. März bis 25. Mai). Ergänzt wird das Jahresprogramm der Sammlung Falckenberg durch die Retrospektiven zweier einflussreicher amerikanischer Künstler: Lynn Hershman Leeson (14. Juni bis 11. Oktober) ist eine der wichtigsten Medienkünstlerinnen, während die meist in Tusche ausgeführten Zeichnungen von Raymond Pettibon Einflüsse aus dem Comic und der amerikanischen Popkultur aufweisen.
Weitere Infos unter: www.deichtorhallen.de