Der sehenswerte ARD-Film „Eine Liebe für den Frieden“ beleuchtet das Verhältnis der Aktivistin Bertha von Suttner zum Dynamiterfinder Alfred Nobel. Ein romantisches Stück mit politischem Tiefgang.

Hamburg. „Ohne Bücher wären wir Affen“, sagt der Chemiker Alfred Nobel (1833–1896) und ermuntert Bertha von Suttner (1843–1914) zu schreiben. Aber worüber nur? Das wird sich finden. „Die Welt ist voller Themen.“ Sie wird das Leben studieren. Bis in sein Extrem hinein, den Krieg. Befeuert von einer zwischen Labor, Bücherregalen und schweren Teppichen entbrannten Seelenfreundschaft ausgerechnet zum Erfinder eines todbringenden Sprengstoffs.

„Eine Liebe für den Frieden“ nennt Urs Egger etwas süßlich seine Bertha-von-Suttner-TV-Biografie, die sich weniger als Porträt der schillernden, klugen österreichischen Pazifistin und ersten Friedensnobelpreisträgerin (1905) erweist, denn als Einblick in ein revolutionäres Frauenleben mit Hang zum Querdenkertum. Den sehenswerten, hochkarätig besetzten Fernsehfilm zeigt Das Erste an diesem Sonnabend.

Die unkonventionelle Theatermimin Birgit Minichmayr erscheint als Idealbesetzung der stets eine strenge Hochfrisur tragenden von Suttner, die sich unversehens in einem womöglich gar nicht so unglücklichen Liebesdreieck mit ihrem leichtlebigen Ehemann Alfred von Suttner, gespielt von Thalia-Schauspieler Philipp Hochmair, und dem von Sebastian Koch gegebenen Chemiker Alfred Nobel wiederfindet. Mit dem wohlhabenden, aber eigenbrötlerisch weltabgewandten Wissenschaftler verbindet von Suttner eine enge Freundschaft, die sich historisch allerdings nur auf einen jahrelangen ausführlichen Briefwechsel und wenige persönliche Begegnungen beschränkte.

Die Geschichte, die auch vor dem Hintergrund jener aufregenden Jahre um 1900 mit ihren neuen Ideen, der Weltausstellung in Paris, der Avantgarde in den Künsten zu lesen ist, hätte als Kostümschmonzette garniert mit einem Hauch dramatisch unerfüllter Sehnsucht durchgehen können. Gewiss, manche Einstellungen sind behäbig, üppige Dekors und bauschige Roben werden mit viel Geigeneinsatz ansehnlich in Szene gesetzt. Doch Urs Egger macht daraus einen überraschend gelungenen romantischen Film, in dem die Liebesgeschichte als Katalysator für Fragen von Krieg, Frieden und den Anfängen der Frauenbewegung funktioniert.

Birgit Minichmayr brilliert auch im Schauspielhaus

Das liegt auch und vor allem an den grandios aufspielenden Darstellern, von denen zwei regelmäßig an Hamburger Theatern zu sehen sind. Birgit Minichmayr, in Karin Beiers Antikenmarathon „Die Rasenden“ am Schauspielhaus zu erleben, verleiht der aus verarmten adeligen Verhältnissen stammenden gebürtigen Gräfin Kinsky, herben Charme und unprätentiöse Grazie. Als Gouvernante sich bei der Industriellenfamilie von Suttner verdingend, verliebt sie sich in den sieben Jahre jüngeren Arthur von Suttner. Thalia-Ensemblemitglied Philipp Hochmair („Faust“, „Jedermann“) gibt ihn als zwar in den Konventionen seiner Zeit und seines Standes verhafteten Adeligen, lädt ihn zugleich mit viel impulsiver Energie und Lebensgier auf. Die Eltern zeigen sich über die Verbindung wenig amüsiert und loben Bertha von Suttner weg nach Paris in den Haushalt Alfred Nobels. Anders als viele Männer seiner Zeit nimmt Nobel von Suttner als Gesprächspartnerin von Anfang an ernst. Man parliert über Literatur und Zeitgeschehen. Sebastian Koch stattet den wachen, aber auch kauzigen Forscher Nobel mit einer derartig spröden Langeweile aus, dass Bertha von Suttner verständlicherweise den aufgeweckten, inzwischen von seiner Familie verstoßenen Arthur ehelicht und mit ihm in den Kaukasus nach Georgien zieht. Hier führt das Paar ein weltvergessenes naturnahes Hippieleben, bis der russisch-türkische Krieg das verblendete Idyll jäh beendet. Unter dem Eindruck des Schlachtfeldelends findet Bertha von Suttner eine klare Antwort auf jede Verklärung von heroischem Kampfgetümmel: „Die Waffen nieder“. Der 1889 im Alter von 46 Jahren verfasste Roman gleichen Namens sichert ihr den Durchbruch als Schriftstellerin.

Urs Egger erzählt eine Dreiecksgeschichte

Als solche wird sie auch Alfred Nobel wiedertreffen und mit ihm über Sinn und Unsinn von rauchfreiem Dynamit streiten. Eine Verantwortung für das Kriegselend in der Welt streitet Nobel ab. „Dynamit ist doch nur ein Stoff. Seine Bestimmung ist völlig offen.“ Hier war er, der von einer Superwaffe träumte, die Kriege eines Tages unmöglich machen würde, gutgläubiger als Bertha von Suttner. „Waffen müssen nicht erfunden, Waffen müssen vernichtet werden“, sagt sie.

Die Positionen könnten gegensätzlicher nicht sein, und doch sieht sie in Nobel mehr als den Erfinder, den eine todbringende Erfindung reich gemacht hat. Sie wird ihn später dazu bringen, sein Vermögen in die Stiftung des Nobelpreises einzubringen.

Für Philipp Hochmair verhandelt der Film vor allem eine funktionierende Dreiecksbeziehung. „Bertha von Suttner nimmt sich diese beiden Männer auf unterschiedliche Weise und das ganz legal und offen. Das finde ich toll.“ Ganz ungetrübt geht das natürlich nicht. Arthur fühlt sich dem Nebenbuhler unterlegen, verbietet ein Treffen und flüchtet sich in eine Affäre mit seiner Nichte. Die Dreharbeiten in Wien musste der Schauspieler mit zahlreichen Aufführungsterminen koordinieren. „Dieser Spagat ist mein Kick. Für mich setzt sich da etwas Kreatives frei, das sich in einem reinen festen Theaterengagement nicht einstellt.“

„Eine Liebe für den Frieden“ 3.1., 20.15 Uhr, ARD