Regisseur Philipp Stölzl will „Winnetou“ neu verfilmen. Mehrere Sender zeigen bis zum Jahresende elf alte Abenteuer der Blutsbrüder nach den Büchern von Karl May. Darunter „Der Schatz im Silbersee“.
Es tut sich etwas in der Prärie. Man kann zwar noch nichts Genaues erkennen, aber erfahrene Fährtenleser haben erste Spuren ausgemacht. Gerade erst verkündeten die Produzenten Wolfgang Behr und Bernd Schlötterer von der Aventin Film, dass sie „Winnetou“ neu verfilmen wollen. Auch bei der Constantin Film arbeitet man an solchen Plänen. Ähnliches hat man bei den Produktionsfirmen Rat Pack und Ziegler im Sinn. Womöglich bekommt Deutschlands beliebtester Indianer im kommenden Jahr eine Frischzellenkur verpasst. Bis dahin kann man sich über Weihnachten und noch bis zum Jahresende im Fernsehen noch einmal auf mehreren Kanälen die klassischen „Winnetou“-Filme ansehen.
Einer der Regisseure, der mit den neuen Plänen in Verbindung gebracht werden kann, ist Philipp Stölzl. Er hat mit der Verfilmung von „Der Medicus“ mehr als 3,6 Millionen Zuschauer in die deutschen Kinos gelockt und offenbar Lust auf Karl May. Sein Plan: „Old Shatterhand wäre jünger, Winnetou ein richtiger Indianer, und Nscho-tschi bekäme eine größere Rolle. Es wäre eine emotionale Freundesgeschichte vor dem dramatischen Hintergrund der Indianervertreibung.“ Im kommenden Jahr will er loslegen.
Vor mehr als einem halben Jahrhundert eroberten die Karl-May-Filme die Kinoleinwände. Viele Kinder, vor allem Jungen, lasen damals die Bücher des fantasievollen, eitlen und kleinkriminellen Autors, der zunächst vorgab, die Abenteuer seiner Protagonisten Kara Ben Nemsi und Old Shatterhand selbst erlebt zu haben. Kein Wunder, dass Filmemacher auf ihn aufmerksam wurden. Bereits in den 1920er-Jahren wurden einige der Orientabenteuer verfilmt. Helmut Käutner plante in den 40er-Jahren einen „Winnetou“-Film mit Hans Albers in der Hauptrolle. Die große Zeit der Karl-May-Filme waren aber die 60er-Jahre. Das deutsche Kino erlebte damals eine Krise. Mit der eigenen Vergangenheit mochte man sich noch nicht so recht auseinandersetzen, stattdessen traktierte man das Volk mit anspruchslosen und kitschigen Heimatfilmen. Das Fernsehen wurde ein wichtiger Kinokonkurrent und zog immer mehr Publikum aus den Lichtspielhäusern ab.
Seit 1961 war der Produzent Horst Wendlandt für die erfolgreichen Edgar-Wallace-Filme verantwortlich. Bei der Suche nach weiteren kinotauglichen Stoffen stieß er auf Karl May. Dessen populärste Bücher waren die im Wilden Westen spielenden Geschichten. Bisher hatte sich noch kein deutscher Filmemacher daran versucht, auch weil der Western ein uramerikanisches Genre war und ist.
Gedreht wurde in jugoslawischen Nationalparks
1962 kam „Der Schatz im Silbersee“ ins Kino. Gedreht wurde in jugoslawischen Nationalparks. Bei der Besetzung gelangen Wendlandt und Harald Reinl, einem Heile-Welt-Regisseur, der an den historischen Hintergründen wenig interessiert war, mehrere Glücksgriffe. Lex Barker spielte den Old Shatterhand. Der Mann war nicht nur ein Hollywoodstar und ehemaliger Tarzan-Darsteller, er sah auch, wie Karl-May-Experte Michael Petzel findet, „deutscher aus als jeder Deutsche“. Das war wichtig, weil an seinem Wesen ja der Wilde Westen genesen sollte. Den Winnetou spielte der junge Franzose Pierre Brice, dem man eine entfernte Ähnlichkeit mit Alain Delon nachsagte, mit zurückhaltender Noblesse und angemessener Athletik. Er war ein junger Wilder, wie er im Buche steht und ließ Petzel jubeln: „Die Identität zwischen Rolle und Schauspieler ist im Fall Winnetou tatsächlich vorhanden.“
Die französische Filmzeitschrift „Cahiers du Cinéma“ lästerte zwar, „Der Schatz im Silbersee“ sei nur ein „Schwarzwald-Western“, aber dem Publikum gefiel diese Mischung aus Blutsbrüderschaft, Märchen- und Abenteuerfilm. 17 Millionen Zuschauer sollen den Film laut „Blickpunkt: Film“ gesehen haben. Die Bundesbürger entdeckten mitten im Wirtschaftswunder den Apachen in sich, und die Medien mischten kräftig mit. Die Jugendzeitschrift „Bravo“ veröffentlichte Starschnitte der Protagonisten. Die Filmmusik von Martin Böttcher war enorm populär. Zum ersten Mal wurde ein deutscher Filmsoundtrack auf LP veröffentlicht. Zahlreiche populäre deutsche Schauspieler waren in Nebenrollen zu sehen, von Heinz Erhardt über Mario Adorf bis hin zu Götz George, bei den Frauen waren es Marie Versini, Karin Dor, Elke Sommer und Daliah Lavi.
Als der Häuptling 1965 in „Winnetou III“ sterben sollte, gab es wütende Proteste der Kinozuschauer. Aber im selben Jahr wurde noch „Old Surehand I“ gedreht, in dem Brice seine Leinwandauferstehung feiern konnte. Die Vermarktungsmaschinerie lief damals auf Hochtouren. Modellfiguren, Quartettspiele und Handpuppen wurden hergestellt, Indianerzelte und Federschmuck fand man in vielen Kinderzimmern. Im Kino war der Boom 1968 und nach 17 Filmen vorbei. In Deutschland machte sich ein anderer Zeitgeist breit.
Pierre Brice als Winnetou in Bad Segeberg
Jenseits der Leinwände ließ sich die Erfolgsgeschichte verlängern. Im Sauerlandort Elspe und in Bad Segeberg trat Pierre Brice noch als Winnetou auf. Jetzt ist der 85-Jährige in Rente.
Im Jahr 2000 versammelte Jürgen von der Lippe Kollegen wie Rüdiger Hoffmann, Mike Krüger, Bastian Pastewka und Hella von Sinnen um sich, um ein altes May-Hörspiel neu einzulesen. Das höchst vergnügliche Ergebnis heißt „Ja uff erst mal – Winnetou unter Comedy-Geiern“ und gilt wegen der Stardichte als „Woodstock der Winnetou-Comedy“. Wie lebendig der Mythos immer noch ist, zeigte sich im Jahr 2001, als Michael „Bully“ Herbig mit seiner Westernparodie „Der Schuh des Manitu“ einen Riesenerfolg erzielen konnte. Mehr als elf Millionen Zuschauer haben den Film im Kino gesehen.
Die Messlatte liegt also hoch. Ob nun ein neuer Film entsteht oder mehrere, ist eigentlich egal. Nur gut muss es natürlich werden. Sonst: Marterpfahl.
„Winnetou I“ Di, 12.25 Uhr, MDR
„Winnetou II“ Do, 13.00 Uhr, MDR
„Der Schatz im Silbersee“ Do, 13.50 Uhr, NDR
„Winnetou III“ Fr, 13.00 Uhr, MDR