Entertainerin Ina Müller begeistert im Live-Konzert 12.000 Zuschauer in der Hamburger O2 World. Und verwandelt die Arena mit ihrem Wortwitz und sprühender Herzenswärme in eine Kneipe.

Hamburg. Mit zwei berühmten Blondinen vergleicht sich Ina Müller an diesem Abend. Helene Fischer und Marilyn Monroe. Um dann für gut zwei Stunden sabbelnd und singend unter Beweis zu stellen: Ina Müller ist ihre eigene Marke. Eine Frau, die ihre Frau steht. Und zwar für alle Frauen (und diverse tapfere Männer), die an diesem Sonnabend in die O2 World gekommen sind, um die Hamburger Entertainerin beim Abschluss ihrer Tour zum aktuellen Album „48“ zu erleben.

Die mittlerweile 49-jährige Hamburgerin vollbringt mit ihrer Band das kleine Show-Wunder, die mit fast 12.000 Fans gefüllte O2 World in eine Kneipe zu verwandeln. Der Funke springt über, die Nähe wird spürbar. Selbst wenn und gerade weil sie Klischees serviert wie eine Wirtin Schnäpse am Dorftresen. Kurz und klar.

Und wenn der Gag, auf Ex hinab gestürzt, ob seiner Schärfe etwas brennt – macht nichts. Ina Müller spült stets mit reichlich Plauderwasser nach. Ob sie nun ausführlich über Wechseljahrswallungen und erschlaffende Haut witzelt oder sich immer wieder über den obligatorischen Schuhkauf auslässt. Themen, die einen Bart mindestens in Nikolaus-Länge haben. Dürfte man meinen. Doch Bärte sind ja nun bei jungen Männern wieder in. Und Ina Müller liefert noch die markigste Stereotype so frisch ab, als habe sie sich die Pointe soeben ausgedacht. Ihre spezielle Mischung aus Wärme und Wahnwitz füllt die Halle flugs aus. Zuckerbrot und Zote lautet ihr Konzept.

Zum Auftakt gibt’s die emotionale Powerpop-Nummer „Wenn ich weg guck“. Und gerade, als es sich die Gäste in dem schönen Schmachtgefühl bequem gemacht haben, folgt die Müllersche Kontrastkur. „Mein Hamburg, ihr Schnullerbacken, ist das aufregend“, ruft sie in die Arena hinein, um dann sogleich slapstickhaft auf ihren High Heels die Bühnentreppe hinab ins Auditorium zu staksen.

„Ich hoffe, die rufen Helene Fischer auch an und fragen, ob die ein Geländer braucht“, erklärt die Sängerin mit Seitenhieb auf den Schlagerstar, der jüngst zwei Mal die O2 World füllte. Anders als Fischer präsentiert Müller allerdings kein braves Kuschel-Event, sondern ein Kalauer- und Klönschnack-Programm, das mit seinen frivolen Frotzeleien neben dem Herzen, nun ja, auch die Hose anspricht. Ina ist, wenn man so will, die angenehm derbe norddeutsche Kehrseite zum sauberen Schlagershowgeschäft. Alle dürfen mit ihr und über sie lachen. Auch Karl-Heinz aus Schneverdingen, der in einer der vorderen Reihen neben seiner Frau Christine sitzt. Müller rückt ihm auf die Pelle und ihr blonder Pferdestehlen-Pferdeschwanz wippt energisch, als sie versucht, an seinem Gesicht abzulesen, ob er nach 36 Jahren Ehe schon mal untreu gewesen ist. Groß schaut sie Karl-Heinz an. Kulleraugen und Kodderschnauze.

Der ältere Herr wird über den Abend hinweg immer wieder als Empfänger herhalten müssen für die verbalen Spitzen, die Müller auf die Männerwelt abfeuert. Und das sind nicht wenige. Die Streiks von Zugführern und Piloten? Der Konflikt sei nur noch nicht gelöst, weil Männer am Verhandlungstisch sitzen. „Die denken alle 20 Sekunden an Sex“, lästert die Müller. Und fügt hinzu: „Also ich könnte das nicht.“ Schöne einfache Welt. Doch wenn einem das Männer-Frauen-Schwarz-Weiß gerade auf die Nerven zu gehen beginnt, setzt Ina Müller einfach noch einen drauf. Und noch einen. Und noch einen. Der Betrachter meint, einen roten Faden über ihrem Kopf aufsteigen zu sehen. Der dann aufs Schönste Schlaufen schlägt. Sie redet und redet, bis sich das Hirn in einen Lachsack verwandeln muss. Bis man sich ergibt.

Das Charmante ist: Das größte Ziel ihres Humors ist sie selbst. Ihren weiten Glockenrock trage sie, um ihr „Wanderfett“ zu verstecken, für das ihr Körper der Jakobsweg sei. Laute Lacher. „Jetzt bloß kein Wind von unten, sonst werde ich zur norddeutschen Marilyn Monroe für Arme“, parliert sie weiter – und lacht sich selbst schlapp. Ach ja, und singen tut sie auch noch. Mit wunderbar rauchig-samtener Stimme. Besonders gut zur Geltung kommt ihr seelenvoller Gesang bei einem Duett mit dem hoch talentierten britischen Singer-Songwriter Luke Sital-Singh, der den Abend mit einigen Songs an der Gitarre eröffnet hat. Müllers Repertoire reicht von beschwingtem Pop („Sie schreit nur noch bei Zalando“) und Rock ‘n‘ Roll („Mark“) über Balladen („Wenn Dein Handy nicht klingelt“) und plattdeutsche Nummern („Mama“) bis zu Rock („Wenn Du nicht da bist“). Der Sound ist gut, die Stimmung bestens. Alle lieben Ina. Weil sie menschlich ist. Denn um das Herz auf der Zunge zu tragen, wie Ina Müller es tut, muss man erst einmal reichlich davon haben.