Brittani Sonnenberg wuchs an vielen Orten auf. In ihrem Debütroman „Heimflug“ beschreibt sie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Morgen liest sie in Hamburg

Hamburg. „Ich würde gern Chinesin sein. Oder Deutsche. Um irgendwo dazu zu gehören“, lässt Brittani Sonnenberg, Kind amerikanischer Eltern, ihre Romanheldin Leah sagen. Leah ist das Alter Ego der Autorin, die als Kind mit ihren Eltern, modernen Business-Nomaden, in England, den USA, in China und Singapur lebte. Jedes Mal, wenn der Vater einen neuen Job bekam, zog ihm die Familie hinterher, ins Ausland. Alle zwei, drei oder auch fünf Jahre ging das so.

„Nachdem Elise und Chris (das sind Leahs Eltern) in Hamburg und London gelebt hatten, war es für Atlanta zu spät: Im fünften Jahr fing es an, dort langweilig zu werden“, schreibt Sonnenberg in ihrem Debütroman „Heimflug“. Die Eltern sind jene Typen, die heute überall zu finden sind. Menschen, die stets glauben, irgendwo anders wird’s doch noch was Besseres geben, immer rastlos auf der Suche, immer ein wenig nervös, unzufrieden. Meist gut aussehend, gut ausgebildet, Menschen, die glauben, ihnen läge die Welt zu Füßen. Bis sie irgendwann merken, dass sie längst den Boden unter den Füßen verloren haben, das Fundament. Sie sind kosmopolitische Migranten geworden.

Auf die Welt kam Brittani Sonnenberg 1981 in Hamburg. Aufgewachsen ist sie sowohl mit der Herkunftskultur ihrer Eltern, wie mit den Einflüssen der verschiedenen Wahlheimaten, in denen sie zur Schule ging und wo sie Freunde hatte. Sie könnte sich als Weltbürgerin fühlen, als bewiesenermaßen anpassungsfähige junge Frau, die mit ihrer zusammengewürfelten Identität überall in Paralleluniversen überleben kann. Doch in Wahrheit fühlt sie sich nirgends zugehörig, an nichts gebunden, für nichts verantwortlich.

Manch einer verliert dabei sein Leben

Im Roman muss Leah zum Psychotherapeuten, auch wenn der Grund dafür nicht in ihrer gestörten Bindungsfähigkeit liegt, sondern weil ihre Schwester gestorben ist. Manch einer verliert bei dieser Reise von Kontinent zu Kontinent, auf der ständig neue Jobs, neue Wohnungen, Nachbarn und Bekannte warten, nicht nur sich selbst, seine Wurzeln oder seine Familie. Manch einer verliert sogar sein Leben. Auch das erzählt Sonnenbergs autobiografischer Roman.

Einmal pro Jahr gibt es Heimaturlaub, damit man den Kontakt zu Land und Leuten nicht verliert. Sonnenberg erzählt von Elise und Charles Kriegstein, er ein ehemaliger Sportheld, sie eine zeitlose Schönheit, die sich manchmal selbst fremd ist und ständig neu erfindet. Mit ihren beiden Töchtern ziehen sie durch die Welt, passen sich an und halten zusammen. Doch als Leahs jüngere Schwester Sophie an einem unerkannten Herzfehler in Singapur stirbt, verlieren sie ihren Halt.

Sonnenberg erzählt von Trennung, Schmerz und Zugehörigkeit. Von Fernweh und Neugier. Vom sehnsuchtsvollen Bild auf die Heimat und vom fremden Blick auf sie, der mit zunehmenden Jahren immer kritischer wird. „Ihr Amerikaner müsst immer gewinnen“, sagt eine Frau in Hamburg zu Elise, „ihr seid immer versessen auf ein Happy End.“ Und Leah, die nur in den Sommerferien bei den Großeltern in den USA gelebt hat, merkt sehr bald, dass sie mit anderen Nomaden mehr teilt als mit ihren ursprünglichen Landsleuten.

Brittani Sonnenberg lebt derzeit in Berlin, aber dort zu bleiben, das kann sie sich nicht vorstellen.

Brittani Sonnenberg, „Heimflug“. Aus dem Englischen von Patricia Klobusiczy, Arche Verlag, 336 S., 19,95 Euro Lesung am 26. November, 20 Uhr, mit Lavinia Wilson, Nochtspeicher, Bernhard-Nocht-Straße 69a, Eintritt 8 Euro