Hamburg. Das Kunstlied, wie wir es aus dem handelsüblichen Liederabend kennen, ist gewissermaßen der Vorläufer des Popsongs. Wenige Minuten lang, in der Struktur überschaubar und melodisch eingängig, handelt es allermeistens von der romantischen Liebe. Das geht zu Herzen und sowieso zu Ohr, aber der Kopf ist nicht immer gleichermaßen gefordert.

Der Bariton Christian Gerhaher und sein Klavierpartner Gerold Huber haben im Kleinen Saal der Laeiszhalle gerade gewissermaßen das Gegenprogramm vorgeführt. Empfindung und Intellekt verschränkten sich bei ihrem Programm rund um Vertonungen der „Sturm und Drang“-Hymnen Goethes von Schubert und Wolfgang Rihm. Die hatten wenig gemein mit der überbrachten Liedform, die sich so oft auf schlichtes Illustrieren beschränkt; „Gesänge“ nannte sie Gerhaher in seinem hervorragenden Begleittext: Die Strophenform war über weite Strecken aufgelöst, an die Stelle des Schubert-typischen Gestus zwischen Schwärmerei und Todessehnsucht trat mitunter eine fast beethovensche Klarheit. Rihms Musik, rund 200 Jahre jünger, knüpfte mühelos daran an.

Man muss diesen Sänger erlebt haben, wie er auf der Höhe seines Erfolgs um jede Note, jede Wendung im besten Sinne ringt, als hinge sein Leben daran. Skrupulös genau formte er die Silben und färbte er die Vokale, und seine Stimme klang so natürlich, als spräche er. Schon beim beinahe rezitativischen „An die Sehnsucht“ zu Beginn musste jeder im Saal das Gefühl haben, Gerhaher erzähle ihm, und nur ihm, etwas sehr Persönliches. Und Huber begleitete nicht nur auf Augenhöhe, er erwiderte auch artikuliert, präsent und ohne sich als eigenständigen Künstler zu verleugnen. Herrlich, wie er die Ironie in Rihms „Willst du dir ein gut Leben zimmern“ aufnahm und an der Tastatur mit Bauklötzen zu spielen schien.

Zwei Männer und ein Flügel auf einer Bühne, ohne Beiwerk, ohne Mätzchen. Mehr braucht es nicht für ein Gesamtkunstwerk.