„Vom Zustand der Stadt“ heißt ihr Zyklus aus Großbildaufnahmen, der in der Ausstellung „Fokus: Altona. Fotografie aus dem Stadtteil“ gezeigt wird. Die Ausstellung vereint unterschiedliche Sichtweisen.

Hamburg. Vier Jahre lang hat die in Altona aufgewachsene Fotografin Johanna Klier auf der Neuen Großen Bergstraße fotografiert und deren Wandel dokumentiert. Ihre Farbfotografien zeigen zum Beispiel das 1973 errichtete Frappant-Gebäude, dessen Abriss und den anschließenden Neubau des Ikea-Möbelhauses. Wir sehen Gebäude, die uns lange Zeit vertraut waren, dann aber plötzlich aus dem Stadtbild verschwunden sind, weil sie für Neues Platz machen mussten. Ob man das als Verlust oder Gewinn ansieht, liegt im Auge des Betrachters.

Die Fotografien verzichten auf derartige Wertungen. Mit nüchternem, analytischem Blick beobachtet Klier die Metamorphose dieser Straße, die sich innerhalb kurzer Zeit vollzieht. „Ich habe nichts dagegen, dass sich die Stadt verändert, möchte aber mit meinen Bilder zeigen, in welcher Weise dieser Wandel von gesellschaftlichen Strukturen und Prinzipien bestimmt wird“, sagt die Fotografin.

„Vom Zustand der Stadt“ heißt ihr Zyklus aus Großbildaufnahmen, der jetzt in der Ausstellung „Fokus: Altona. Fotografie aus dem Stadtteil“ gezeigt wird. Dafür hat Kuratorin Ursula Riechenberger ganz verschiedenartige Positionen ausgewählt, von dokumentarischen Fotos aus dem späten 19. Jahrhundert über Motive mit sozialkritischem Anspruch aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert bis hin zu Projekten mit einem besonderen ästhetischen Anspruch. „Der Verschiedenartigkeit der fotografischen Positionen entspricht die Vielfalt und Unterschiedlichkeit des Stadtteils, dessen Entwicklung die Fotografie widerspiegelt“, sagt Riechenberger zum Konzept der gemeinsam mit dem fabrik fotoforum entwickelten Schau, die die Sonderausstellung zum 350. Jahrestag der Stadtrechtevewrleihung ergänzt.

Einen anderen Blick auf Altona wirft Hans Meyer-Veden

Zu den eher dokumentarischen Bildern gehören die Arbeiten von Gerd Mingram (1910–2001), der sich Germin nannte. Etwa 100.000 Schwarz-Weiß-Aufnahmen hat er hinterlassen und darin vielfach Alltagsszenen dokumentiert, darunter jene Motive aus Altona, die in der Ausstellung zu sehen sind. Auch Erich Andres, der 1907 in Leipzig geboren wurde, aber schon als Jugendlicher nach Hamburg kam, interessierte sich für alltägliche Situationen. Immer wieder hat er Hafenmotive fotografiert, aber zum Beispiel mit dem Zyklus „Kinder in der Stadt“ auch soziale Situationen dokumentiert.

Als einer der ersten Hamburger Fotografen arbeitete Andres in den 20er-Jahren mit einer Leica-Kamera, die handlich war und mit dem 36er-Rollfilm schnelle Bildfolgen möglich machte. Als der „Hamburger Anzeiger“ 1927 erstmals ein Titelbild druckte, das Andres mit seiner Leica fotografiert hatte, machte er diese Kleinbildkamera in Hamburger Fotografenkreisen salonfähig.

Einen ganz anderen Blick auf den Stadtteil wirft Jahrzehnte später Hans Meyer-Veden, dessen ästhetische Aufnahmen mitunter der Zeit entrückt zu sein scheinen. Sie zeigen nicht den geschäftigen Alltag, sondern vor allem die stillen Winkel, wobei der Betrachter manche der ästhetisch ins Bild gerückten Motive nicht zwangsläufig mit Altona in Verbindung bringen würde.

100 Bilder, die vom Balkon aus aufgenommen wurden

„Quer zum Strom“ hat Jo Röttger einen Zyklus von etwa 100 Bildern genannt, die er über einen längeren Zeitraum hinweg vom Balkon eines Kapitänshauses aus aufgenommen hat. Fast zweieinhalb Kilometer ist der Fluss hier breit, der den Blick auf eine weite Landschaft eröffnet, mit der Helling einer Werft im Hintergrund. Wechselnde Tageszeiten und der Wandel der Jahreszeiten prägen die seriellen Arbeiten, die immer wieder Containerriesen zeigen, die sich massig ins Bild schieben. Nähe und Ferne verbinden diese ungemein atmosphärischen Bilder aus einem Blickwinkel eines Hauses, das schon vor mehr als 100 Jahren von einem Kapitän erbaut wurde.

Die Ausstellung erhebt nicht den Anspruch, eine fortlaufende Bildchronik der ehemals selbstständigen Stadt zu zeigen, sondern vereint stattdessen ganz unterschiedliche fotografische Sichtweisen auf den heutigen Stadtteil. So entsteht ein Kaleidoskop der dokumentarischen und künstlerischen Beobachtung, das zugleich als fotografisches Gedächtnis eines dynamischen, sich ständig wandelnden Stadtteils mit langer Geschichte zu verstehen ist.

Fokus Altona. Fotografie aus dem Stadtteil. Bis 11.10.2015. Altonaer Museum, Museumstraße 23, Di–So 10.00–17.00. www.altonaermuseum.de