Heute nimmt das spektakuläre neue Domizil des Ensemble Resonanz den Betrieb auf. Es wurde pünktlich fertig und kostete weniger als erwartet. Das Lichtkonzept wurde von Henz Kasper entworfen.

Hamburg. Es ist unmöglich, nicht ins Schwärmen zu geraten über den Resonanzraum, das neue Proben- und Konzertdomizil des Ensemble Resonanz, das heute mit zwei Konzerten der Reihe „Urban String“ offiziell seinen Betrieb aufnimmt. Was den Bauherren und -herrinnen vom Ensemble und dem Architekturbüro pfp um Jörg Friedrich hier geglückt ist an Verwandlungskunst von 2506 Kubikmetern zuvor rein technisch genutztem Betonraum in einen ästhetisch und funktional inspirierten, genau durchdachten Spielort für Musik und Begegnung, das ist nicht nur phänomenal ansehnlich.

Dieser Raum ist ein Ereignis. Er wird die kulturelle Landschaft der Stadt bereichern, verändern und fortan mit prägen. In ihm sind so viele Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Musikstadt Hamburg angelegt, dass man sich einmal ganz weit aus einem der kleinen, in die fetten Bunkerwände eingelassenen Fenster lehnen und eine Zeitenwende ausrufen möchte. Jedenfalls die Chance dazu.

Bereits am Mittwoch öffnete sich die unscheinbare Stahltür neben den Verkaufsräumen des Musikalienhandels Just Music im ersten Stockwerk des Bunkers Feldstraße, die zum Resonanzraum führt, erstmals für Publikum. Freunde, Unterstützer, Weggefährten sowie Entscheider aus Politik, Wirtschaft und Kultur strömten herein. Den 300 Gästen boten die Resonanzler einen kleinen Querschnitt ihrer musikalischen Arbeit, wobei das Eröffnungsstück „Keskellä Blues“ des Finnen Eero Hämmenieni mit dem ebenfalls finnischen E-Gitarristen Kalle Kalima programmatisch die Richtung vorgab: Jede Musik, die von der Besetzung her zum Ensemble passt, ist erlaubt, vorausgesetzt, sie ist exzellent. Bloß keine stilistischen Scheuklappen.

Mit schmalem Budget das Optimum herausholen

Doch so schön und vielfältig die Stücke ausgesucht waren, die auch heute bei Urban String erklingen sollen – eine der Hamburger Sinfonien von C.P.E. Bach, das Adagio aus Bruckners Streichquintett, einer der „Shaker Loops“ von John Adams und der „Sommer“ aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“: Die größte Bewunderung wird vorerst ernten, was der federführende Architekt Jörg Friedrich die „gefrorene Musik“ nannte: die Architektur.

„Ich bitte herzlich um Entschuldigung, dass wir pünktlich fertig geworden sind“, scherzte Friedrich in seiner Rede. Tatsächlich gelang der umfängliche Umbau nicht nur in der dafür vorgesehenen Zeit. Die Kosten dafür lagen auch unter denen, die zuvor veranschlagt worden waren.

Noch keine Bau-Aufgabe in seiner ganzen Laufbahn sei indes so knifflig zu lösen gewesen wie diese. Schließlich galt es, aus dem räumlich Vorhandenen mit all seinen Begrenzungen und Besonderen das mit schmalem Budget finanzierbare Optimum herauszuholen. „So haben wir uns wieder auf die Primäraufgabe der Architektur besonnen: Einfachheit, Minimalismus, Reduktion.“

Dass es sich beim Umdenken von 650 Quadratmetern Grundfläche im größten Hochbunker Europas in einen Kreativort der Kultur zudem um eine geistige Herausforderung handelt, benannte Friedrich höchst anschaulich. Er sprach von diesem Objekt als einem „dialektischen, ambivalenten Haus“ – halb der von einer Kuppel überwölbte Innenraum der Villa Rotonda des italienischen Renaissance-Architekten Andrea Palladio, halb möglicher Schauplatz von Kafkas „Verwandlung“.

Spektakulär ist das von Heinz Kasper entworfene Licht

Wie man aus einer meterdick ummantelten, beengenden Mitte, zu der wie bei Gregor Samsa drei Türen führen, eine Mitte zaubert, aus der drei spektakuläre Riesentüren mit akustischen Sonderaufgaben herausführen wie aus einem Zentrum, in dem Neues, Schönes ins Offene blüht: Diese selbst gestellte Aufgabe hat Friedrich mit seinen Planern im resonanzraum auf beeindruckende Weise gelöst.

Spektakulär ist auch das von Heinz Kasper entworfene Licht. Drei große, kreisförmig auf Metallringe montierte Deckenleuchten ergänzen durch ihren unglaublichen Schwung all die harten Winkel und Ecken des Saals mithilfe einfachster, freilich enorm wirkungsvoller Geometrie um eine fundamental andere Information.

In der Mitte des größten der drei Elemente, das in kunstvoller Asymmetrie zwei konzentrische Lichtkreise zusammenführt, thront ein Lüster, der sein kostbares Licht dank 260 dicht gehängter, kreisförmig angeordneter und von LED-Lämpchen illuminierten PET-Flaschen aussendet. Prachtvoller hat Recycling selten ausgesehen.

Fein nachzujustieren sein wird bei der Akustik des Raums, der Friedrich selbst eine gewisse „Tiefenlastigkeit“ attestiert, eine Betonung des „erotischen Basses, der vielleicht gut passt hier nach St. Pauli“. Das taugte als Pointe, lässt sich aber musikalisch kaum halten. Tatsächlich klangen die Streicher im Diskantbereich von verschiedenen Orten des Raums aus gehört nicht ganz so glitzernd, wie diese Streicher klingen können. Aber das Ensemble hatte ja auch noch keine Möglichkeit, sich mit den Besonderheiten der Akustik intim vertraut zu machen. Bis zur letzten Minute vor der Eröffnung wurde noch geschraubt, verlegt, gehämmert.

Zehn Mäzene gaben zusammen 200.000 Euro

„Wir sind alle noch ungläubig und verwirrt – vor Glück“, sagte Tobias Rempe, Geschäftsführer des Ensembles, der an diesem Abend vielen zu danken hatte. Die größten Geldgeber dieser Baumaßnahme sind, ganz bodenständig, auf handlichen Barren aus USB-Platte verewigt, die an der Wand neben der Bar hängen.

Zehn Mäzene aus dem „Gründerboard“ gaben zusammen 200.000 Euro, die Kulturbehörde, deren Chefin Barbara Kisseler das Gelingen des resonanzraums kaum weniger am Herzen zu liegen scheint als die Großbaustelle unten am Fluss, steuerte dieselbe Summe bei. Die Hermann Reemtsma Stiftung schließlich schloss die Lücke, die noch blieb, um Bühnentechnik und Akustik zu finanzieren. Und viele weitere Stiftungen und private Förderer halfen, den Traum vom resonanzraum zu verwirklichen.

„Schall und Rausch“: Das Zusammentreffen dieser beiden Ereignisse in ihrer neuen Heimat versprechen die Resonanzler derzeit auf Plakaten. Sie werden es auf musikalischem Wege herbeizuführen suchen. Wie schön, dass auch ihr Raum so berauschend ist, ganz abseits der golden schimmernden Bar.

Ensemble Resonanz: Urban String, Fr 31.10., 21.00 (ausverkauft) und 23.30 (Tickets 10,- an der Tür) Bunker Feldstraße (U Feldstraße)