Im Alter von 90 Jahren ist Deutschlands populärer Welterklärer gestorben. Peter Scholl-Latour war ein Kriegs- und Krisenreporter – und ein Glücksfall für den Journalismus.
Berlin. Der Journalist und Autor Peter Scholl-Latour ist tot. Der Mann, der den Deutschen das Weltgeschehen seit den 50er Jahren näher gebracht hat, starb am Sonnabend im Alter von 90 Jahren nach schwerer Krankheit in seinem Wohnort Rhöndorf bei Bonn, wie die Ullstein-Buchverlage in Berlin mitteilten. Viele seiner mehr als 30 Bücher erzählen von Krisen, Konflikten und Kriegen. Fast alle wurden Bestseller wie etwa „Der Tod im Reisfeld”, das den Vietnamkrieg zum Thema hatte. Mit seinen Schriften und Fernsehberichten prägte er für viele in Deutschland das Bild der arabischen Welt, Asiens und Afrikas.
Auf die Welt kam Scholl-Latour am 9. März 1924 in Bochum als Sohn eines im Saarland geborenen und in Lothringen aufgewachsenen Arztes und einer elsässischen Mutter, die als Jüdin nur knapp der Deportation entkam. Er ging auf ein Jesuitenkolleg im schweizerischen Fribourg. 1945 geriet er bei dem Versuch, sich der Partisanenarmee Titos anzuschließen, kurz in Gestapo-Haft. Nach Kriegsende meldete er sich bei einer französischen Fallschirmspringereinheit und kämpfte in Indochina.
Nach einem Jahr als saarländischer Regierungssprecher entschied er sich 1956 endgültig für den Journalismus. Er bereiste Afrika und Südostasien, war drei Jahre lang Afrika-Korrespondent der ARD und gründete 1963 das ARD-Studio Paris. Von 1969 an war er bis 1971 WDR-Fernsehdirektor und Programmdirektor. 1971 wechselte er zum ZDF. Nach der Affäre um die Hitler-Tagebücher beim „Stern” übernahm er 1983 die Aufgaben des Chefredakteurs und Herausgebers des Magazins, gab diese jedoch nach einem Jahr wieder auf. Danach war er hauptsächlich als freier Autor tätig und bis kurz vor seiner Erkrankung häufiger Gast in Talkshows. Scholl-Latour war zum zweiten Mal verheiratet und hinterlässt einen Sohn aus erster Ehe.
Scholl-Latour sei mit seiner unbändigen Reiselust bis ins hohe Alter, mit seiner Neugier auf die Kulturen, Religionen und Völker der Welt und seinem tiefen Verständnis für Riten, Sitten und Gebräuche fremder Kulturen einer der großen Reiseschriftsteller unserer Zeit gewesen, heißt es in einer Erklärung des Propyläen-Verlages zu seinem Tod. Mit seiner geopolitischen Scharfsicht und seiner Ablehnung der missionarischen Hybris des Westens gegenüber dem Rest der Welt habe er vielen Deutschen aus dem Herzen gesprochen.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) erklärte laut einer Mitteilung, „mit dem Tod von Peter Scholl-Latour verliert Deutschland einen der letzten großen journalistischen Welterklärer”, sie würdigte ihn als „meinungsstarken Fernsehjournalisten”. „Mit seinem Jahrzehnte langen journalistischen Schaffen trug er zum Verständnis anderer Kulturen und damit zur Völkerverständigung bei”, hieß es weiter.
Auch WDR-Intendant Tom Buhrow würdigte Scholl-Latour in einer Erklärung: „Wir haben einen großen Journalisten und Reporter verloren. Mit seinen Erfahrungen, Erlebnissen und Einschätzungen bereicherte Peter Scholl-Latour unsere Arbeit und unsere Sicht auf die Welt.” Sein Kollege, ZDF-Intendant Thomas Bellut, sagte laut einer Mitteilung: „Peter Scholl-Latour war ein wahrhaft furchtloser Reporter in allen Teilen der Welt. (...) Einen wie ihn wird es nicht mehr geben.”
Gregor Gysi, Vorsitzende der Bundestagsfraktion Die Linke, nannte Scholl-Latour „eine sehr eigenständige, sehr eigenwillige und herausragende Persönlichkeit”. Der stellvertretende CSU-Chef, Peter Gauweiler, bezeichnete Scholl-Latour laut einer Mitteilung als „großen Publizisten und klarsichtigen Volksaufklärer”. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erklärte: „Er verkörperte mit seiner Vita die deutsch-französische Freundschaft und hat nie vergessen, wo seine Wurzeln liegen.”