Komödiant des Menschlichseins: Der US-Schauspieler Robin Williams ist im Alter von 63 Jahren gestorben. Sein Witz, seine Komik, seine verrückten und tiefsinnigen Rollen haben uns alle sehr berührt
So viele Rollen. So viele Lacher. Wo soll man da anfangen? So viele Witze. So viel melancholieumspültes Lächeln. So viel Einsicht und Verständnis. So viel Einkehr und verborgener Grimm und Traurigkeit. Robin Williams war in seinen Figuren immer ganz, es war, als verstelle er sich nicht oder kaum. Hinter all den Masken und fremden Sätzen tauchte der Mensch auf, und das Berührende an seinen Auftritten war, dass die Komik stets aus ihm selbst zu kommen schien, nicht aus dem Drehbuch oder der Regieanweisung.
Das Kino ermöglicht in seinen guten Momenten Blicke ins Herz der Schauspieler – oder scheint es zumindest. Robin Williams hat das stets zugelassen. Hinter den absurdesten Handlungen und bizarren Bewegungen war ein berührendes Ich. Deshalb ist das Gefühl für ihn da, immer. Auch im Tod.
Am Montag wurde Robin Williams, 63 Jahre alt, in seinem Haus in Kalifornien aufgefunden. Eine vorläufige Untersuchung deutet auf Suizid durch Erhängen hin. Er hatte mit schweren Depressionen zu kämpfen, sagte eine Sprecherin.
Wo soll man bei einem Nachruf anfangen? Vielleicht bei Schlachtrufen. „Goooooood Moooorning, Vietnaaaaaaaam!“, schreit der Radiomoderator Adrian Cronauer ins Mikro und weckt in „Good Morning, Vietnam“ mit seinen Witzen nicht nur die amerikanischen Soldaten, sondern auch die Vorgesetzten. So etwas hatten alle noch nie gehört. Die Älteren werden sich auch an „Nano-Nano“ und „Hamsti-Bamsti“ erinnern, das Williams als junger Außerirdischer in der Fernseh-Sitcom „Mork vom Ork“ ruft – und damit sofort berühmt wird.
Es sind seine unzähligen One-Liner und witzigen Redewendungen, die in Erinnerung bleiben, die kaskadengleich und in rasendem Tempo aus Williams heraussprudeln und die nie und nimmer von anderen geschrieben wurden, sondern von ihm selbst stammen und scheinbar leicht dahingesagt sind. Seine Monologe in „Good Morning, Vietnam“ sind zum großen Teil improvisiert, in Scripts wurden oft Leerzeilen gelassen, die Williams füllen sollte. Und gerne füllte. Williams riss die Rollen an sich, ganz.
Auch in Interviews sprach er so. 2009 wurde ihm bei der Herz-OP eine Rinderherzklappe eingesetzt. Als „Bild“ ihn danach fragte, war die Antwort: „Ein Stück Kuh hat mich gerettet! Deshalb esse ich kein Fleisch mehr! Wenn ich ein Steak sehe, sage ich: ,Nein – du bist einer von uns!‘“
Stimmte das? War er deshalb wirklich ein überzeugter Vegetarier? Irgendwie vielleicht, egal. Der Witz zählte.
Seine Komik entspringt aus der Lust an der Komik. Er ist witzig, weil er witzig sein will und weil das im Leben hilft. Seine Figuren wollen brillieren, wollen parodieren, sie können nicht anders. Der Englischlehrer im „Club der toten Dichter“ erreicht die Schüler auch, weil er nachmachen kann, wie John Wayne und Marlon Brando Shakespeare sprechen. Und weil er zugleich mitfühlt, welche schwere Zeit die Pubertät für Jungen an einer Elite-Schule ist.
Auch Schutz ist seine Komik. Und Maske. Hinter all dem Plappern und den unruhigen, ungelenken Bewegungen, den artistischen Einfällen und Späßen über das eigene Dasein tauchen in jedem Film Momente auf, in denen Williams die Kraft des Witzes schier aus dem Gesicht fällt. Schluss mit lustig. Denn da sind andere Gefühle. Sehnsucht, Einkehr, Melancholie. Auch Zweifel und Trauer. Der tragikomische Robin Williams ist ein Meister des Innehaltens. Das war er unerreicht. Wie bei Jerry Lewis und Charlie Chaplin gewährt seine Komik einen Ausblick auf die Tiefe und den Abgrund. Und es blitzte die Kraft auf, die es kostete, den fröhlichen Mann zu spielen, der wohl nicht immer fröhlich sein wollte.
Stets muss da etwas aus seinen Figuren heraus, ihr Körper scheint fast zu platzen. Das macht „Mrs. Doubtfire“ so witzig, wo Williams sich als dicke Hausdame verkleidet, um seine eigene Familie zu überwachen, und dann den schönsten Staubsaugertanz der Filmgeschichte hinlegt. Das ist idealtypisch in „Hook“ zu sehen, wo Williams der alternde Peter Pan ist, der vergessen hat, wie schön Nimmerland war, und der zu sich findet, als er endlich wieder durch die Luft sausen und mit Kapitän Hook kämpfen darf.
Für seine Mutter machte er als Kind die Großmutter nach
Und das prägt die dunklen, bösen Charaktere, die er gespielt hat, den psychopathischen Angestellten in „One Hour Photo“, den Mörder in „Insomnia“ (beide Filme von 2002), der so freimütig seine Taten gesteht, um genau damit den Polizisten zu besiegen. Kein Wunder, dass Williams mehrfach den Joker in Batman-Filmen spielten wollte. Komik und Gewalt. Beides verführerisch. Seine Mixtur.
Robin Williams stammte aus Chicago, er ging in Kalifornien zur Schule. Seine Eltern waren wohlhabend, er sei als Kind scheu gewesen, hat er erzählt, seine erste Rolle sei es gewesen, für seine Mutter die Großmutter nachzumachen. Ein Studium der Politikwissenschaft brach er ab, probierte sich als Stand-up-Comedian, was man später in fast jeder Sekunde sehen konnte. Noch 2008 ging er auf eine umfangreiche Tournee durch die USA mit dem Titel „Weapons of Self-Destruction“ (Waffen der Selbstvernichtung), unter anderem um seine Meinung über die Regierung George W. Bush kund zu tun.
Viel früher, nach Lehrjahren an der Juilliard School mit Superman-Darsteller Christopher Reeve, trat er in einer Sitcom kurz als Mork vom Ork auf. Beim Vorsprechen war er gebeten worden, sich auf einen Stuhl zu setzen. Er machte dort einen Kopfstand und redete lustiges Zeug. Bald wurde ihm dafür die gleichnamige Serie auf den Leib geschrieben. Mork kannte die Fakten und verwechselte stets den Kontext, so wie beim Kopfstand auf dem Stuhl. Von 1978 an war „Mork vom Ork“ für vier Jahre extrem populär. Damals trank Williams schon zu viel, nahm Drogen, musste später einen Entzug machen. 2006 wurde er rückfällig. Offen sprach er über Probleme mit dem Trinken.
Im Kino kam der Durchbruch 1987 mit „Good Morning, Vietnam“ und der ersten von drei Oscar-Nominierungen als Hauptdarsteller, die anderen für „Club der toten Dichter“ und „König der Fischer“. Er hat den Randfiguren Würde gegeben, er hat Ärzte und spleenige Typen und Roboter gespielt in ewiger Lust an der Verkleidung. Er hat durch seine Stimme und mit zahllosen Akzenten verrückte Wesen zum Leben erweckt, als seien auch Dschinnis und Pinguine Teil seiner Persona.
Mit sein schönster Film ist „Good Will Hunting“ , da ist alles zu sehen, was Robin Williams ausmacht. Als bärtiger, introvertierter Psychiater, der seine Frau verloren hat, sitzt er Matt Damon als verhaltensauffälligem Genie gegenüber. Er hört zu. Er reißt Witze. Er weint. Er flucht. Er lacht verbissen. Er klammert sich an den Rest Leben in seinem Kellerzimmer, obwohl er keinen Fortschritt sieht. Einmal parodiert und provoziert Damon den Psychiater, um ihn zu verletzen. Williams flüstert nur: „Was weißt du schon?“ In diesen Rededuellen lässt der Schauspieler viel von seinem Innern blicken, und es bleibt am Ende Hoffnung, für beide. Dafür bekam er den Oscar als bester Nebendarsteller.
Seine dritte Ehefrau Susan Schneider hat erklärt: „Ich hoffe, in den Erinnerungen wird nicht sein Tod vorherrschen, sondern die unzähligen Momente des Spaßes und des Lachens, das er Millionen gab.“
Gooood Niiiiiight, Robiiiiiin. Ein verdammt schlechtes Ende.
Aber mal ehrlich.