Mit Ursula von der Leyen, Margot Käßmann und Hillary Clinton machte Günther Jauch in seiner Sendung am Sonntagabend keine Punkte. Weniger wäre mehr gewesen.
Hamburg. Vielleicht hätte Günther Jauch den Mut haben sollen, die ehemalige US-Außenministerin und noch ehemaligere First Lady Hillary Rodham Clinton am Sonntagabend allein zum Gespräch ins Gasometer von Berlin-Schöneberg zu bitten. Dann wäre es womöglich zu einem weniger austarierten, also spannenderen, vor allem aber erhellenderen Dialog zwischen den beiden gekommen. Ein Novum wäre das nicht gewesen, Jauch empfing auch schon Kanzlerin Angela Merkel und ihren glücklosen Herausforderer Peer Steinbrück solo in seiner Show.
Clinton ist seit Wochen auf Werbetour für ihr neues Buch „Entscheidungen“ („Hard Choices“). Nach enttäuschenden Verkaufszahlen in den USA – der Verlag Simon & Schuster hat laut „New York Times“ 1 Million Exemplare an die Buchhandlungen ausgeliefert, bislang aber kaum 200.000 davon verkauft – soll ein guter Absatz der fremdsprachigen Ausgaben dabei helfen, wenigstens den dicken Vorschuss für die Autorin wieder hereinzubekommen. In „Entscheidungen“ schreibt Clinton über ihre Jahre als Außenministerin der Obama-Regierung, zugleich lesen viele Beobachter aus dem Buch Absichtserklärungen für Clintons politische Zukunft heraus. Dass Jauch ihr vor den ARD-Kameras keine Bekanntgabe ihrer Kandidatur für die US-Präsidentschaftswahlen 2016 entlocken würde, wusste er natürlich. Und probierte es natürlich trotzdem.
Aber in seine letzte Sendung vor der Sommerpause hatte Jauch neben der Frau, die sich Umfragen zufolge über die Hälfte der US-Amerikaner als Nachfolgerin Präsident Barack Obamas wünschen, auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Margot Käßmann eingeladen. Ihm ging es von vornherein nicht nur um eine gemeinsame Betrachtung der Politik, die die vier Jahre mächtigste Frau der USA betrieb, sondern um Frauen in der Politik ganz allgemein.
Das war ein struktureller Schwachpunkt der Sendung. Von der Leyen präsentierte sich als die Staatsmännin mit Gewissen, Käßmann als die Christin mit Gewissen. Dagegen war im Prinzip nichts einzuwenden, beide nutzten ihre eher wenigen Momente verbalen Ballbesitzes gut. Aber geben frisch erschienene 900 Seiten Memoiren einer Ministerin, die während ihrer Amtszeit 112 Staaten bereiste und die mit einiger Wahrscheinlichkeit die nächste Präsidentin der USA werden wird, nicht genügend Stoff für eine Einstundensendung im deutschen Fernsehen her?
Immerhin tastete sich Jauch auch an empfindliche Themen heran. So konfrontierte er Clinton mit dem berühmten Foto, auf dem sie, die Hand vor dem Mund und die Augen weit offen, mit Vizepräsident Joe Biden, Präsident Obama und Sicherheitsberatern in einem kleinen Konferenzraum des Weißen Hauses der Videoübertragung von etwas zusieht, das später von vielen Medien als der exakte Moment der Tötung Osama bin Ladens durch eine Spezialeinheit der US-Navy deklariert wurde. Wer das Bild anschaut denkt, die damalige US-Außenministerin unterdrücke reflexartig ihr Entsetzen, weil selbst sie als Zeugin des Geschehens so etwas wie humanitäres Grausen erfasst.
Clinton korrigierte diesen Eindruck bei Günther Jauch. Ihre Sorge habe damals einzig der Besatzung eines Hubschraubers gegolten, der bei der Landung auf dem pakistanischem Gebiet, auf dem man bin Ladens Versteck vermutete, beschädigt wurde.
Von der Leyen und Käßmann warben abwechselnd um Verständnis mal für die Amerikaner, mal für diejenigen Deutschen, die, wie Käßmann, finden, man hätte Osama bin Laden nicht einfach „abknallen und ins Meer werfen“, sondern lebend fangen und vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag stellen müssen.
Eingangs warf Jauch unter der gläsernen Gasometer-Decke die Frage nach der Gläsernen Decke in den Raum, die die Frauen noch von der Teilhabe an der Macht in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft trennt. Jenseits des Erwartbaren kam dabei nichts heraus. Jauchs als Eisbrecherfrage gedachte Erkundigung, ob Hillary Clinton Frisur, Anzug und Brille bei ihm okay fände, versandete bei seinem Stargast knirschend. Clinton hatte entweder keinen schlagfertigen Tag oder keine Lust auf Entertainment. Auch auf Jauchs nett brückenbauende Fragen nach dem Stand des beschädigten Vertrauensverhältnisses zwischen Deutschland und den USA vertraute sie meist auf die Phrasenstanzmaschine. Klarere Worte dafür zu Merkels abgehörtem Handy: Sorry, hätte nicht passieren dürfen, wir wussten alle nix und haben uns doch entschuldigt. NSA? Tut uns leid, dass Ihr da so empfindlich seid. Stimmt, Ihr habt da ja eine Geschichte mit Misstrauen unter Nachbarn und Freunden. Edward Snowden? Klar, darf gerne zurückkommen und sich der US-Gerichtsbarkeit stellen, der Verräter.
Am Ende verabschiedete Jauch seine Gäste wie der artige Junge bei der Tanzstunde mit je einem identischen Blumenstrauß. Und sagte damit, durch die Blume: Ging ja um nix Ernstes. Hab nur mit drei reizenden Damen parliert.