Am 12. Juni wird das Kreuzfahrtschiff in Hamburg getauft. Ein Interview mit dem CEO von TUI-Cruises, Richard J. Vogel, über das außergewöhnliche Museumsprojekt, die weltweit erste derartige Institution.
Hamburger Abendblatt: Herr Vogel, es gibt Museumsschiffe, Schiffsmuseen und Museumshäfen, aber ein Schifffahrtsmuseum auf einem Kreuzfahrtschiff ist ein absolutes Novum. Wie kam es zu dieser Idee?
Richard J. Vogel: Wir wollten neben unserem üblichen Angebot etwas schaffen, das einzigartig ist. Es sollte innovativ sein und den Inhalt unseres Produktes widerspiegeln, nämlich neben dem Vergnügen und der puren Lust am Reisen auch Wissen zu vermitteln. Das tun wir zwar schon länger in Form von Lektoraten, Vorlesungen oder nautischen Fragestunden, doch diesmal wollten wir etwas ganz Anderes entwickeln. Es geht darum, unserem Gast auf ungewöhnliche Weise nahezubringen, dass er sich tatsächlich auf dem Wasser bewegt. Er soll verstehen, was da im Meer dicht unter ihm passiert.
Was können die Besucher konkret erwarten?
Vogel: Ein modernes Museum, das in Form von einzigartigen und wertvollen Exponaten, die vom Internationalen Maritimen Museum Hamburg zur Verfügung gestellt werden, die Schifffahrtsgeschichte darstellt. Der Gast hat zum Beispiel die Möglichkeit, anhand eines interaktiven Globus, den er eigenständig bewegen kann, über einen Screen in verschiedene Themenbereiche, zum Beispiel in die Unterwasserwelt einzutauchen. An einem interaktiven Medientisch kann er sich auch selbst mit der Meeresforschung auseinandersetzen, in einem eigenen Kino entsprechende Filme sehen oder sich in Audio-Sesseln über maritime Geschichte, ebenso aber auch über die moderne Schifffahrt und Forschung informieren.
Das klingt recht anspruchsvoll, aber entspricht das auch der Erwartungshaltung Ihres Publikums?
Vogel: Unser Gast geht in erster Linie auf unser Schiff, um hier Urlaub zu machen. Wie tief er inhaltlich einsteigt, bleibt ihm natürlich selbst überlassen. Auf der anderen Seite ist gerade die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Maritimen Museum und dem Konsortium Deutsche Meeresforschung eine ideale Ergänzung, denn wenn wir unserem Gast an Bord die Möglichkeit bieten, sich mit bestimmten Themen auseinanderzusetzen, machen wir ihn unter Umständen hungrig und neugierig auf mehr. Bei seinem nächsten Hamburg-Besuch wird er sich vielleicht daran erinnern und das Museum im Kaispeicher B besuchen. Aber die Erfahrung an Bord ist schon besonders, denn den wenigsten Menschen ist bewusst, dass sie noch nie so weit weg waren vom Wasser wie auf einem Schiff.
Das müssen Sie uns erklären.
Vogel: Das Wasser ist zwar da, aber es bleibt unerreichbar. Ich sehe es, kann mich ihm aber nicht aussetzen. Und ich weiß nicht, was in der Weite des Meeres direkt unter mir und um mich herum wirklich passiert. Und genau das wollen wir vermitteln - verbunden mit der Entwicklung der Schifffahrt und deren vielfältigen Aufgaben.
Wie viel Platz umfasst das „Meerleben“?
Vogel: Es geht um fast 300 Quadratmeter. Und das ist ziemlich bemerkenswert, denn wer auf einem Kreuzfahrtschiff so viel Platz für eine „Ausstellung“ zur Verfügung stellt, muss entweder verrückt sein, oder er hat ein sehr klares Ziel.
Ihre Gäste befinden sich in einer recht komfortablen Umgebung. Werden Sie auch daran erinnert, dass Seefahrt früher nicht komfortabel, sondern gefährlich und entbehrungsreich war?
Vogel: Wir führen unseren Besuchern recht deutlich vor Augen, unter welchen Bedingungen Seefahrt früher stattgefunden hat, wie viel menschlicher Aufwand dafür notwendig war. Wo wir heute für Antrieb, Steuerung oder Navigation hochmoderne Systeme haben, war früher echte Handwerksarbeit gefragt, die durchaus schweißtreibend sein konnte. Damit wollen wir auch das Verständnis für die Mitarbeiter an Bord erhöhen, insbesondere für diejenigen, die im Deck- und im Maschinenbereich tätig sind. Diese Aufgaben sind noch immer anstrengend und anspruchsvoll, auch wenn nicht mehr Kohlen geschaufelt werden müssen.
Moderne Museen müssen erlebnisorientiert sein, um sich in der Konkurrenz anderer Freizeitangebote behaupten zu können. Ist das auf dem begrenzten Platz überhaupt möglich?
Vogel: Durchaus, wir werden unsere Ausstellung an Bord auch im Lauf der Zeit verändern und auf jeden Fall weiterentwickeln. Im Übrigen stehen wir ja nicht im Wettbewerb mit anderen Museen, sondern mit dem Gesamtangebot im Wettbewerb mit anderen Reedereien. Wir wollen, dass das „Meerleben“ so vielfältig und interessant ist, dass die Gäste während der Reise mehrfach wiederkommen.
Sie müssen ja auch diejenigen im Blick haben, die öfter mit „Mein Schiff 3“ unterwegs sein werden. Wie viel Prozent der Gäste von TUI-Cruises sind „Wiederholungstäter“?
Vogel: Etwa 25 bis 30 Prozent, insgesamt 60 Prozent unserer Gäste sind kreuzfahrterfahren. Für diese wird das „Meerleben“ auch in Zukunft eine neue Erfahrung sein.
Normale Museen verfügen über eine Dauerausstellung, die durch Sonderausstellungen ergänzt wird. Soll das bei Ihnen ähnlich sein?
Vogel: Wir werden die Exponate nicht alle drei Monate austauschen können, dennoch wird es begleitende Sonderevents geben, vor allem in Form von Lektoraten, Vorträgen, aber auch durch die Präsentation von Forschungsergebnissen, beispielsweise über den interaktiven Forschertisch.
Wer wird dafür verantwortlich sein?
Vogel: Zu den Partnern von „Meerleben“ gehören neben dem Internationalen Maritimen Museum Hamburg auch namhafte Forschungseinrichtungen. Das sind die Institute des Konsortiums Deutsche Meeresforschung, unter anderem das MARUM Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, das Helmholtz-Zentrum Geesthacht, das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung sowie das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde.
Forschen Sie denn auch an Bord?
Vogel: Wir sind natürlich kein Forschungsschiff wie zum Beispiel die „Polarstern“, haben aber auf „Mein Schiff 3“ eine sogenannte Ferrybox des Helmholtz-Zentrums Geesthacht installiert, mit der sich beispielsweise Inhalt und Qualität des Meerwassers messen lässt, sowohl auf hoher See als auch in Küstennähe. Die Forschungsergebnisse sind nicht nur für Institute wichtig, sondern auch für uns, denn sie zeigen uns, in welchem konkreten Umfeld wir uns bewegen. Und das kann aus Umweltschutzgründen für uns bedeuten, dass wir besonders sensible Bereiche bewusst meiden. Das werden auch unsere Gäste im „Meerleben“ über den interaktiven Forschertisch nachvollziehen können.
Welche Rolle wird Museumspädagogik spielen?
Vogel: Eine große Rolle, dabei reden wir aber nicht nur über Kinder, sondern auch über Erwachsene. Kinder gehen an die Sachen oft spielerisch und unbefangen heran, während es für die Erwachsenen eine größere Rolle spielt, auf eigenes Wissen aufzubauen und ein Bild zu vervollständigen. Auf beides müssen wir eingehen. Wir schulen unsere eigenen Mitarbeiter, können hier aber auch auf das Netzwerk unserer Partner zurückgreifen. Das soll natürlich nicht den Charakter eine „Lehrveranstaltung“ haben, sondern immer noch Spaß machen.
Wie finden Sie persönlich das Maritime Museum im Kaispeicher B?
Vogel: Es ist eine beeindruckende Ausstellung, aber ich finde es faszinierend, wie es Professor Peter Tamm gelungen ist, eine solche Sammlung aufzubauen. Ich kenne noch die alte Ausstellung in Tamms Haus an der Elbchaussee, es ist enorm, wie sich das Museum daraus entwickelt hat. Bis heute habe ich noch immer nicht alles gesehen.
Gibt es ein Exponat im Haus, das Sie am liebsten mit auf Ihr neues Schiff nehmen würden?
Vogel: Ja, das gibt es. Es ist das Modell des Forschungsschiffs „Polarstern“ im Maßstab 1:150. Das passt gut zu uns, denn in bestimmter Hinsicht sind wir ja auch ein Forschungsschiff. Das Modell der „Polarstern“ wird uns Peter Tamm voraussichtlich höchstpersönlich in Hamburg für unser „Meerleben“ übergeben.