Der Autor und Regisseur Roland Schimmelpfennig bringt sein neues Stück „SPAM“ im Schauspielhaus zur Uraufführung. Darin geht es um eine von Ausbeutung und Machtgefälle bestimmte, globalisierte Welt.

Hamburg. Ein Theaterstück von Roland Schimmelpfennig liest und sieht sich in der Regel leicht. Scheinbar. Denn hinter der auf den ersten Blick klaren und verständlichen Sprache sind komplexe Gedanken versteckt, die es in sich haben. Die den Betrachter hinführen an neuralgische Punkte der Gesellschaft. In seinem neuen Werk „SPAM“, das er an diesem Freitag am Schauspielhaus selbst zur Uraufführung bringt, geht es um eine von Ausbeutung und Machtgefälle bestimmte, globalisierte Welt.

Der derzeit meistgespielte Autor der Gegenwart lässt sich ungern fotografieren und eigentlich spricht er auch nicht gern über seine Arbeit. Als hätte die Beschäftigung mit der Welt ihm die Laune verdorben. Aber für Schimmelpfennig gibt es auch wenig Grund für Optimismus. „SPAM“ handelt von Menschen, die in einer europäischen Metropole Zug fahren und in Mobiltelefone plappern. Ihnen gegenübergestellt sind Szenen aus dem afrikanischen Kongo, wo Minenarbeiter unter Einsatz ihres Lebens die Rohstoffe ans Licht holen, mit denen diese Handys betrieben werden.

Nach seinem bislang größten Erfolg, dem Stück „Der goldene Drache“, das von Hamburg bis Wien an vielen großen Bühnen nachgespielt wurde, ist „SPAM“ eine weitere Beschäftigung mit der Globalisierung, aber auch mit dem Neo-Kolonialismus. Der Untertitel „50 Tage“ suggeriert einen Countdown, der nichts Gutes verheißt. Eine Bombe geht hoch. Ein Mensch stirbt in einer Grube. Schimmelpfennig geht es um die Parallelität der Welten. „Der Titel beschreibt den großen Unsinn, der nicht mehr nachzuvollziehen ist und den die neue Kommunikation über uns gebracht hat.“

Das globale Thema verbindet er mit einer individuellen Liebesgeschichte. Im Mittelpunkt: Eine Kapitänin, die die Rohstoffe an ihren Bestimmungsort verschifft und umgekehrt Zivilisationsmüll in Afrika ablädt. Sie hat eine Beziehung mit einem Arbeitsaufseher, der sich wiederum in eine blinde, singende Frau verliebt. Ein Machtmensch verbindet sich auf poetische Weise mit einem Opfer.

Die Poesie nimmt einen immer größeren Raum ein bei Roland Schimmelpfennig. Die Sprache, sie ist immer kunstvoller und bilderreicher geworden, seit er als Hausautor noch unter Tom Stromberg Stücke wie „Push Up 1-3“, „Calypso“, und „Vorher/Nachher“ aufführte. „Die Verfremdung dient ja nur dazu, eine bestimmte Form von Nähe zu schaffen, eine Identifikation zu ermöglichen, um in die Geschichte einzusteigen“, sagt Schimmelpfennig. Theaterkritiker bescheinigen ihm einen Hang zum Surrealen, entdecken gar einen magischen Realismus südamerikanischer Prägung in seinen Arbeiten.

Auf jeden Fall will der Autor die Illusion mithilfe der Sprache selbst herstellen. Was dazu führt, dass er in seinen Bühnenmitteln gerne karg bleibt. Das hat auch damit zu tun, dass der große Regisseur Jürgen Gosch, der zuletzt alle Schimmelpfennig-Stücke zur Uraufführung brachte, 2009 starb. Im Schreiben und im Denken Schimmelpfennigs ist er jedoch ständig präsent. „Wir erwecken die Sprache auf der Bühne und damit wiederum die Figuren zum Leben.“ Gleichwohl gebe es auch ein wenig Theaterzauber: schwarze Magie und Musik. Von Gosch habe er gelernt, immer radikaler nach dem Schmerz zu suchen. „Ich glaube, dass man das Theater weiter verschärfen muss. Märchenhafter, kitschiger, größer und romantischer werden muss und auf der anderen Seite brutaler, härter.“

Die Figuren in „SPAM“ verharren in Lakonie, ihre Namen werden kaum im Gedächtnis bleiben. Das behandelte Thema wird sich dennoch einbrennen, denn Schimmelpfennig verhandelt Stoffe von weltumspannender Relevanz. Ihm sei hier kein handliches Stück geglückt, das an jeder Ecke der Welt gespielt werden könne, sagt Schimmelpfennig. Dafür sei es wohl zu komplex.

„SPAM“ Uraufführung Fr 23.5., 20.00, Schauspielhaus, Kirchenallee 39, Karten T. 24 87 13