Am Freitag geht „blurred edges“ an den Start, das Festival für die allerneueste, allerschrägste Musik in Hamburg. Mit allen local playern der Stadt und ebenfalls mit internationalen Gästen.

Hamburg. Wir befinden uns im Monat Mai des Jahres 2014 n. Chr. Ganz Hamburg ist vom 1. Internationalen Musikfest besetzt ... Ganz Hamburg? Nein! Ein von unbeugsamen Musikanten bevölkertes Festivaldorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Ungerührt vom werblichen Ansturm durch das am 9. Mai beginnende Musikfest senden die Aktivisten des Verbands für Aktuelle Musik Hamburg (vamh) ab heute mit ihrem Produzentenfestival blurred edges (engl.: unscharfe Ränder) wieder zwei Wochen lang nahezu Tag für Tag (nur montags ist spielfrei) randständige Signale in die Musikstadt Hamburg. 46 Konzerte an 28 Spielorten laden zu Entdeckungsreisen ein in eine Kleinstnischenkultur der Klänge, von der aus betrachtet noch das vermeintlich Schrägste des Mainstreams als hundsgewöhnliche Musik erscheinen muss.

Dabei liegt es in der Natur jener unscharfen Ränder, die dem Festival seinen Namen geben, dass eine präzise Abgrenzung zu was auch immer scheitern muss. Akustisches und Elektrisches, Improvisation und Komposition, Tüftlergeist und Verschrobenes, seriöse Klangforschung und reiner Dada, Konzert und Performance gehen bei blurred edges Hand in Hand.

Das kleine, zähe Underground-Festival, das bereits zum neunten Mal veranstaltet wird, setzt auf Neugierige im wahrsten Sinne des Wortes, also auf Leute mit einer strukturellen ästhetischen Mangelerscheinung, die nur durch Zufuhr von Neuem, Ungehörtem, Unerhörtem gelindert werden kann. Und das klanglich noch nicht Vermessene, es lauert überall, im konventionellen Instrumentarium ebenso wie in Objekten, die zur Verfertigung von Musik ursprünglich nicht erfunden wurden. Birgit Ulher etwa, seit Jahrzehnten eine der Lokalmatadorinnen der freien Musikszene in Hamburg, schickt Kurzwellensignale durch ihr Kornett und gewinnt dadurch ein neues Klangspektrum (3.5., 22. Uhr, Westwerk). Sieben Musiker aus Dänemark, die nur für diesen einen Festival-Auftritt unter dem Namen Lyd firmieren, machen komplett unverabredet Musik ausschließlich auf Spielzeug (2.5., 20 Uhr, Golem). Auch die seit elf Jahren in Hamburg lebende bulgarische Pianistin Daria-Karmina Iossifova lauscht bei ihrer Matinee am Sonntag Toy Piano, Spielzeuginstrumenten und Kalimba neue Klangwelten ab (Gedok, 11.30 Uhr).

Zum erlesen-abseitigen Programm gehört auch Sound Department Ltd., eine das Festival begleitende Ausstellung im Künstlerhaus Frise (Arnoldstraße 26-30) mit Klangkunst auch von Emilia Badalà (Italien), die an der UdK in Berlin gerade ihr Studium in „Sound Studies“ abschließt (ab 3.5., 20 Uhr).

Die lokalen Fabrikanten dieser Musik von Frauke Aulbert über Leopold Hirt, Georgia Hoppe, Nicola Kruse, Sascha Lino Lemke und Heiner Metzger bis zu Krischa Weber und Hannes Wienert sind vollzählig vertreten. Sie haben sich Gäste aus vielen europäischen und außereuropäischen Städten eingeladen, denn die Welt der allerabgefahrensten Musik ist zwar sehr tief, aber auch ziemlich klein. Reibung am gewohnten Klang gelingt leichter im Zusammenspiel mit befreundeten Fremden.

Die Lektüre des Programmhefts bietet einen Vorgeschmack auf das, was die geneigten Hörer erwartet. So verspricht das Quintett Der Eisenbülbül „berstende Eisflächen, Erdschichtungen und Vogelschwärme mit 1000 Zungen“. Am Eröffnungstag dürfen sich Fans auf „Loopgebilde aus improvisierten Rhythmen und hypnotischen Ohrenschrauben“ freuen, später drohen E. Peters, D. Wallraf aka HSV mit einem „destruktiven Ansatz mit positivem Bezug auf Psychedelic, Kosmos, Kitsch“.

blurred edges Fr 2.5. 19.00, Christianskirche

(S Altona), Klopstockplatz. Sechs weitere Konzerte an diesem Abend, u.a. im Centro Sociale, Sternstraße 2, 20.00, im Golem, Große Elbstraße 24, 20.00, im Linken Laden, Kleiner Schäferkamp 46, 20.30, im Kulturdeich Veddel, 22.00, oder Kraniche bei den Elbbrücken, Brandshofer Deich 45, 23.00; Festivalpass 45,- bei Hanseplatte, Neuer Kamp 2; Einzeltickets nur Abendkasse. www.blurrededges.de