Platten hören ist schön, sie zu horten aber auch. Beim Record Store Day gibt’s Nachschub

Hamburg. Schallplattensammler sind furchtbare Menschen. Sie horten statt zu hören, bekommen bei einem Mini-Anstoßer des Covers fast einen Herzaussetzer und lieben ihre Alben vor allem „still sealed“ (noch eingeschweißt). Mit zittrigen Fingern durchforsten sie Pappkartons auf Umland-Flohmärkten, zu denen sie bereits im Morgengrauen anreisen, immer auf der Suche nach Raritäten, die Unwissende seit Jahrzehnten im muffigen Keller gelagert hatten. Manche schmuggeln Neueinkäufe an der Ehefrau („Wann willst du das denn überhaupt hören?“) vorbei in die Wohnung, andere verzichten schon mal auf den Sommerurlaub, wenn Langgesuchtes plötzlich finanzielle Kraftakte erfordert. Aber das ist nur die eine Seite.

Schallplattensammler sind nämlich auch glückliche Menschen. Ich muss es wissen. Ich bin einer von ihnen.

Eigentlich fing alles ganz harmlos an. Mit einer Elvis-Single („Burning Love“), gekauft vom Zeugnisgeld. Wo die herkam, da musste es doch noch mehr geben. Und es gab mehr, immer mehr. Was gefiel, wurde gekauft – solange das Taschengeld reichte. Das war der harmlose Part. Ernster wurde es dann mit der ersten richtigen Lieblingsband, von der es nicht nur alle Singles und Alben, sondern gerne auch Testpressungen und Picture Discs sein sollten. Und dann kam das Internet.

Seitdem ist nichts mehr, wie es war: Ebay, Discogs und diverse Sammler-Foren befeuern die Sehnsucht. Die Sammlungskomplettierung, sie scheint so nah und ist doch ferner denn je. Auch weil kleine Plattenfirmen längst diese Marktlücke entdeckt haben und immer neue Miniauflagen produzieren. Dass das Album „Opus Eponymous“ der Okkult-Rockband Ghost in mehr als 20 Vinyl-Versionen erschienen ist, passt perfekt ins Bild, wird aber kaum bejammert. Weil: Die alle nebeneinander im Regal, oder besser noch nebeneinander auf dem Wohnzimmerboden ausgebreitet, das hat schon was. Dass höchstens eine davon jemals auf den Plattenteller kommt, ist klar, oder?

Auch die knapp 500 Titel, die zum Record Store Day (RSD) am 19. April in Deutschland veröffentlicht werden, dürften kaum einmal aus ihrer Plastikschutzhülle gezogen werden. Das Risiko, die raren Teile zu zerkratzen, ist einfach zu groß. Manche LPs kommen deshalb übrigens inzwischen mit einer Bonus-CD als „Listening Copy“ in den Handel. Da kann nix passieren.

In diesem Jahr habe ich aber eh Glück – finanziell betrachtet. Für meinen Geschmack ist nämlich erstmals beim RSD nichts dabei, und das Monats-Highlight kam bereits gestern mit der Post aus Finnland: ein Exemplar des Albums „Om“ der rumänischen Black-Metal-Band Negura Bunget. „Hast du das nicht schon?“, fragte meine Frau, die dummerweise zu Hause war, als der Paketbote klingelte. Natürlich habe ich das. Sechsmal, um ehrlich zu sein. Aber eben nicht in der auf 200 Exemplare limitierten, weiß-durchsichtigen Splatter-Vinyl-Version im Klappcover.

Es wurde ein schöner Abend.

Record Store Day Sa 19.4., Hamburger Plattenläden, die teilnehmen: www.recordstoredaygermany.de