Heidi Mahler spielt in der plattdeutschen Erstaufführung des Schwankes „Sülverhochtiet!?!“ von J.B. Priestley in der Regie von Michael Koch die Stadtratsgattin Anni Prigge

Hamburg „De goden, olden Tiden“, die guten alten Zeiten also, sind ans Ohnsorg-Theater zurückgekehrt. Personell lässt sich das einerseits an der Rückkehr von Heidi Mahler nach einer Saison Pause festmachen. Mahler macht als Anni Prigge in der plattdeutschen Erstaufführung von J. B. Priestleys „Sülverhochtiet!?!“ eine sympathische Figur. Andererseits war mit dem Besuch des amtierenden Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz und seiner Frau Britta Ernst auch das Publikum noch etwas prominenter besetzt als gewöhnlich.

Und das Stück erst: Ältere passable Schwänke dürften schwerlich aufzutreiben sein. Tatsächlich stammt die Komödie des britischen Autors John Boynton Priestley aus dem Jahre 1938 und spielt noch zehn Jahre früher, im September 1928, im Hause des Bürgermeisters Karl Hellemann (Wolfgang Sommer). Von den in England „roaring“ („stürmisch“), in Deutschland hingegen „golden“ genannten Zwanzigern bleiben im Ohnsorg immerhin die 20er-Jahre erhalten, obwohl vermutlich nicht jedes Requisit auf der Bühne einer näheren Überprüfung standhielte.

Der Theaterabend lässt sich keinesfalls als stürmisch-lebendig oder golden-bewunderungswürdig bezeichnen. Zwar hebt er kurz verheißungsvoll an: Dienstmädchen Stine Lickfett (Hanka Schmidt) sitzt während der Arbeitszeit im herrschaftlichen Salon in einem Sessel, dreht am Radioempfänger und hört mitwippend Musik im schwungvollen Wechsel mit einer politischen Ansprache. Das war es dann aber auch schon mit dem Anklang an den historischen Hintergrund.

Gemächlich und gemütlich entwickelt das vorzüglich besetzte Ensemble sodann mit manch munterem Scherze die vertrackte Ausgangslage. Der Zuschauer hat das Gefühl, er mache einen Raum-Zeit-Sprung nicht etwa in die 20er-, sondern in die 70er-Jahre, und er säße mit der ganzen Familie nicht im Theater-, sondern im Fernsehsessel und guckte Ohnsorg. Auf der Bühne sind drei Ehepaare schwer erschüttert. Anlässlich der Feier ihrer Silberhochzeit stellt sich heraus, dass der Pastor gar nicht trauungsberechtigt war. Sie sind also praktisch – kreisch – gar nicht verheiratet. Organist Knudsen (Christian Richard Bauer), der ein Auge auf die Nichte des Bürgermeisters (Eileen Weidel) geworfen hat, verrät den Männern dieses Geheimnis.

Zunächst versuchen die Ehemänner, ihr gemeinsames Schicksal vor ihren Doch-nicht-Ehefrauen zu verbergen. Aber da die proletarische Haushaltshilfe Frau Bohnsack (Sandra Keck) heimlich lauscht und gern tratscht, wissen bald alle Bescheid. Keck ist die erfreulichste Erscheinung dieser Inszenierung, brachial proletarisch und alkoholisiert, faul und widerlich, ein Putzteufel in Person.

Kurz vor der Pause erscheint zu allem Überfluss auch noch die Lebedame Lottie Lübbers (Tanja Rübcke) auf der Bildfläche, die offenbar die drei Herren aus Timmendorf kennt. Wo doch Bürgermeister Hellemann gar nicht verheiratet ist, will sie ihm einen Antrag machen. Lottie hat ein heftiges, berufsbedingtes Augenzwinkern zur Marotte weiterentwickelt. Während Bürgermeistersgattin Maria (Beate Kiupel) und Privatiersgatttin Klara (Birgit Bockmann) ohne Ehe fassungslos agieren, lacht Anni Prigge (Heidi Mahler) sich halb tot vor Freude, dass sie ihren egoistischen, geizigen Stadtrat Albert (Detlef Heydorn) endlich los ist. Bald flirtet sie mit Privatier Soerensen (Manfred Bettinger).

Angereichert wird die schleppende Handlung durch zwei betrunkene Journalisten vom „Holsteinischen Beobachter“. Reporter Dreisen (Markus Gillich) und Fotograf Olrogge (Till Huster) scheitern beim Versuch der Berichterstattung gründlich. Und auch der mitleidig herbeigeeilte Pfarrer (Dieter Schmitt) kann die Situation nicht retten – etwa indem er schnell mal à la Las Vegas traut; er ist katholisch.

Im zweiten Teil plätschert die Handlung, die doch eigentlich turbulenter werden sollte, ebenso langsam dahin wie im ersten. Hätte anstelle von Michael Koch niemand Regie geführt, wäre der Theaterabend vermutlich flotter ausgefallen. Alle Rollen sind gleich gewichtet, Situationen spitzen sich nicht zu und verpuffen, bevor sie – möglicherweise gar komisch – explodieren können. Auch das Stück ist recht schlicht gestrickt und thematisch altbacken. Frau Bohnsack gelobt dem Pfarrer kurz vor Komödienende Besserung. Die jungen Liebenden legalisieren ihr Verhältnis durch die Anmerkung, sie seien fast verlobt. Und dann stellt sich doch zum Schluss tatsächlich heraus, dass ein Standesbeamter bei der Eheschließung anwesend war, mithin doch alle Ehepaare gültig verheiratet sind. Kurzer Applaus. Aus.

„Sülverhochtiet!?!“ Ohnsorg-Theater, bis 31.5.