Der neue „Tatort“ aus Köln ist weit mehr als nur der tragische Ausgang einer Brandstiftung. „Der Fall Reinhardt“ geht dank der Gaststars Susanne Wolff und Ben Becker unter die Haut.
Die Kommissare Ballauf und Schenk tappen im Dunkeln. Mit Taschenlampen gehen sie in einem von einem Feuer verwüsteten Bungalow von Zimmer zu Zimmer, um nach Opfern zu suchen. Im Kinderzimmer wird die Befürchtung grausige Wahrheit. Die drei Kinder der Familie Reinhardt im Alter von elf, acht und drei Jahren liegen tot in ihren Betten. Das Entsetzen spiegelt sich in Max Ballaufs (Klaus J. Behrendt) Gesicht. Der erfahrene Polizist hat in seiner Laufbahn schon viele Leichen gesehen, doch tote Kinder zählen zum Schlimmsten, was ihm bei seiner Arbeit passieren kann. Still und geschockt ermitteln auch die Kollegen von der Spurensicherung in dem Totenhaus, von den Eltern fehlt jede Spur. Bis einer der Beamten Karen Reinhardt (Susanne Wolff) unweit des Hauses am Ufer des Rheins stehen sieht. „Mein Mann“, schreit die schwer traumatisierte Frau.
Ein Feuerteufel geht in Köln um. Der Brand bei den Reinhardts ist bereits der vierte innerhalb von zwei Wochen. Die Abstände zwischen den Anschlägen werden immer kürzer, doch Ballauf und Freddy Schenk (Dietmar Bär) haben als Spur nichts weiter als das Video eines Kapuzenmannes, der zwei Benzinkanister von einer Tankstelle wegschleppt. Karen Reinhardt ist die einzige Zeugin, die sie haben. Doch sie ist noch nicht ansprechbar und will nicht realisieren, dass ihre Kinder das verheerende Feuer nicht überlebt haben. Auch über den Verbleib ihres Mannes kann sie keine Auskunft geben. Er sei am Morgen wie immer zur Arbeit gegangen. Ermittlungen der Kripo ergeben, dass Gerald Reinhardt (Ben Becker) schon vor zwei Jahren seinen Job als Luftfahrtingenieur verloren hat. Auch Nachbarn haben den blonden Mann länger nicht gesehen.
„Der Fall Reinhardt“, so der Titel der aktuellen „Tatort“-Folge, ist mehr als nur der tragische Ausgang einer Brandstiftung. Nach und nach entdecken die beiden Kölner Kommissare, wie eine bürgerliche Familie sich zerstört, nachdem der Ehemann seinen Job verloren hat. Sie erfahren von der Fassade, die Karen Reinhardt gegenüber Nachbarn und ihren eigenen Kindern mit einem Lügengestrüpp aufrechterhält. Sie finden den Ehemann, der inzwischen mit einer anderen Frau in Holland lebt. Auch Gerald Reinhardt könnte ein Motiv haben, sein eigenes Haus in Brand gesteckt zu haben. Ein ehemaliges Kindermädchen macht sich verdächtig, ebenso wie Reinhardts neue und schwangere Lebensgefährtin, die an einem Ort auftaucht, an dem sie eigentlich nicht sein sollte.
Bis zum Ende bleibt dieser „Tatort“, bei dem Torsten C. Fischer Regie geführt und Dagmar Gabler das Drehbuch geschrieben hat, spannend. Immer neue Abgründe tun sich vor den beiden Ermittlern auf, scheinbar hieb- und stichfeste kriminalistische Lösungen entpuppen sich als falsche Fährten, überraschende Alibis werden geliefert und wieder zurückgenommen. Im Mittelpunkt der Tragödie stehen mit Susanne Wolff und Ben Becker zwei überragende Schauspieler. Wolff, unter Ulrich Khuon viele Jahre am Thalia Theater engagiert und jetzt am Deutschen Theater Berlin, verkörpert Karen Reinhardt als bemitleidenswerte Figur, bei der man nie genau weiß, inwiefern sie ihre Realität erkennt. Ihren zu Gewalt neigenden Ehemann spielt Becker als eine äußerlich ruhige und leise sprechende Person, die innerlich brodelt und kurz vor einer Explosion steht.
Diese Familientragödie ist so beklemmend, dass am Ende der Episode das obligatorische Currywurst-Essen von Ballauf und Schenk am Rhein-Büdchen weggelassen worden ist. „Der Fall Reinhardt“ ist auch der erste nach dem Tod von Kollegin Franziska (Tessa Mittelstaedt). Ihren Job hat eine sehr sympathische und patent wirkende Aushilfe übernommen. Ballauf fremdelt zwar noch ein bisschen mit Tobias Reisser (Patrick Abozen), doch der kurzhaarige und tätowierte Jung-Polizist entpuppt sich in dieser Folge bereits als jemand, der mitdenkt und das Kommissar-Duo gut ergänzen könnte. Versteckte Handbewegungen hinter Ballaufs Rücken machen klar: Schenk hat er schon auf seiner Seite.
Tatort: Der Fall Reinhardt So, 20.15 Uhr, ARD