Die Hamburger verhandeln auf ihrer dritten Platte „Vis A Vis“, wie sich das Ich in Großstadt fühlt. Die Veröffentlichung feiern sie mit Sekt, Kartoffelsuppe und einem Konzert in der Hanseplatte.

Hamburg Wie lebt es sich in einer Großstadt? Zum Beispiel in einer wie Hamburg? Und wenn es ein Problem gibt, reicht es da, einen Schuldigen, ein Feindbild auszumachen? Oder bin ich nicht Teil des Ganzen? Verursacher und Betroffener gleichermaßen? Gibt es Orientierung? Und woher kommt eigentlich dieses Gefühl der Angst?

Die Themen, die die junge Band Findus auf ihrer dritten Platte „Vis A Vis“ umtreibt, verhandeln das Ich im urbanen Kosmos. Das ist nicht neu, vermittelt sich im Indierock der fünf Hamburger aber so rau und eingängig, so klug und unmittelbar, dass ihre Lieder unbedingt Gehör finden sollten. Etwa der Titelsong, in dem es heißt: „Hamburg du Mörder / dir fehlt die Wut“. Das mag arg martialisch klingen, erscheint aber wie ein Weckruf auch für das eigene Phlegma und die eigene Unzufriedenheit, wenn Findus-Texter Lüam zuvor singt: „Langeweile tötet / mir fehlt die Wut“. Letztlich geht es nicht nur darum, wie uns die Stadt prägt, sondern auch, wie jeder Einzelne sie nutzt. Und gestaltet. Den Blick richtet Findus dabei auch auf die eigene Szene, die häufig in den Stadtteilen Altona, Schanze, St.Pauli verharrt. Und sich so limitiert.

„So lange die Rote Flora noch steht und noch ein Kumpel in einer Bar in der Schanze arbeitet, so lange ist noch alles okay“, fasst Lüam die bequeme Seite der Alternativkultur zusammen. Und ergänzt: „Das stört mich.“ Zum Interview hat sich die Band im Proberaum in Bahrenfeld versammelt. Lüam sitzt mit Schlagzeuger Timo Meinen, den Gitarristen Danny Steinmeier und Kristian Kühl sowie dessen Bruder, Bassist Stefan Kühl, beim Kaffee zusammen. Die Atmosphäre ist familiär. Fred Noel, Chef des Hamburger Labels Delikatess Tonträger, schaut kurz vorbei. Seit ihres ersten Albums „Sansibar“ im Jahr 2009 ist die Band bei der kleinen Hamburger Plattenfirma beheimatet. Für ihr aktuelles Werk erhielten sie zudem Unterstützung von der Initiative Musik des Bundes. Ein gutes Zeichen, dass da eben nicht das leicht Verdauliche gefördert wird, sondern jene Musik, die die Dinge komplexer zum Klingen bringt. Dass Findus zudem eine exzellente Live-Band ist, davon darf sich am Freitag in der Hanseplatte überzeugt werden. Die Veröffentlichung von „Vis A Vis“ feiert die Band mit Sekt, selbst gemachter Kartoffelsuppe und einem Konzert.

Dem energischen Sound ist anzuhören, dass das Album nicht nur „sehr poppig und sehr wütend“ geworden ist, wie Lüam sagt, sondern auch „sehr demokratisch“. Das gemeinsame Schaffen beschreibt er so: „Jeder von uns könnte bei jeder Stelle sagen, warum die Platte so ist, wie sie ist.“ Auch das ist eine Kunst. Zusammenhänge herzustellen. Als Hinweis an sich selbst, an die eigene Musikproduktion sieht Lüam auch den Vers: „Bewache den Mut / und beachte den Zeitgeist nicht“. Die Zeile stammt aus dem Song „Adam“, einer Hommage an Adam Yauch von der New Yorker Hip-Hop-Combo Beastie Boys, der 2012 an Krebs starb. „Das ist faszinierend, wie groß die im Business waren und trotzdem für sich standen“, sagt Lüam.

Die „persönlichen emotionalen Fragmente“, aus denen seine Lyrics bestehen, bewegen das Ich zwischen Stillstand und Veränderung, Leere und Überfrachtung, Normalität und Irrsinn, Schwäche und Trotz. Sie stellen enervierend direkt die Sinnfrage: „Was gibt es zu erleben / außer lauter Leute neue Szene und neues Getränk“. Das Leben kommt auf den Prüfstand. Kulturelles Erbe („Fremde Schatten“) ebenso wie das Ideal der Liebe („Buhmann“). Statt Antworten gibt es Zustände: „Wir sind aufgewühlt und wir machen keinen Sinn“. Das könnte ein Anfang sein.

Findus –„Vis A Vis“-Releasekonzert Fr 14.3., 20.00, Hanseplatte (U Feldstraße), Neuer Kamp 32, Eintritt frei; findusmusik.de