Vor 20 Jahren starb der Schrifsteller Charles Bukowski. Sein Auftritt in der Hamburger Markthalle gilt als legendär. Jetzt sind Schwarz-Weiß-Aufnahmen aufgetaucht.

Hamburg. Charles Bukowski gehörte zur Gattung der saufenden Dichter. Die waren nie die schlechtesten. Aber keiner von ihnen, von Fallada („Der Trinker“) und Lowry („Unter dem Vulkan“) zumindest teilweise abgesehen, schrieb so intensiv über den Alkoholismus wie Bukowski, den ewigen Lieblingsautor von Literaturstudenten im Grundstudium und Barbesuchern. Bukowski starb am 9.3.1994.

Vor 20 Jahren also, und er biss damals als weltgrößter Gossenpoet und vulgärster Schriftsteller des Planeten ins Gras. Wie gut, dass er da seine einzige Deutschlandreise schon hinter sich hatte: 1978, der frühere Postbote Bukowski schrieb längst hauptberuflich, war der Literaturstar aus Übersee in das Land gereist, in dem er 1920 geboren wurde: als Sohn eines deutschstämmigen Amerikaners und einer Deutschen.

Der Journalist Thomas Schmitt begleitete Bukowski damals mit der Kamera auf dem einzigen Teil seiner Reise, der nicht privaten Charakter hatte – dem Hamburg-Besuch, deren Höhepunkt eine legendäre Lesung in der Markthalle war. Schmitt interviewte vor der Veranstaltung einige der Bukowski-Fans, deren Enthusiasmus ganz herrlich zu beobachten ist; da war die Literatur noch Augenöffner, scheint’s, und einer der jungen Männer gab gleich zu, er habe wegen Bukowski selbst mit dem Schreiben angefangen.

Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen, aus denen Schmitt den Film „Bukowski in Hamburg machte, zeigen Bukowski beim Bootstrip über die Elbe, beim Interview mit dem damaligen Abendblatt-Reporter Bernd Schröder („Ich dachte, Sie seien exzentrischer“) und beim Auftritt in der gerammelt vollen Markthalle. Dort lässt der „Kraft-Poet“ (Schröder) in Sachen Image gar keine Wünsche offen, weil das Catering wie auf ihn zugeschnitten ist. Bukowski bedient sich aus einem auf der Bühne stehenden Kühlschrank mit Weißwein.

„Okay now, where are the whorehouses?“, sagt er auf dem Schiff, kurz bevor es an den Landungsbrücken anlegt: Es war ja nie so, dass er über unbekanntes Terrain schrieb. Im Gegenteil waren seine Geschichten immer auch autobiografisch, durch das Mittel der Übertreibung in der Literatur allerdings ins Absurde und Komische gewendet. Bukowski, das war der vulgäre Lyriker und Erzähler, der in Gedichten und Prosastücken vom kleinen Mann von der Straße im Gewande des Spielers und Dauerberauschten erzählte. Bukowski schrieb in einer ordinären Sprache über Sex, er schrieb über Prostituierte, Kriminelle, Hobos, über Besuche auf der Rennbahn und Alkoholabstürze.

Am meisten gelesen wurde er in Deutschland, wo man ihn als wohltuenden Gegensatz der verkopften und blutarmen einheimischen Literatur wahrnahm. In den 70er-Jahren besahen sich übersensibilisierte Mitteleuropäer ihren eigenen Nabel und schrieben dann im Genre der sogenannten Neuen Subjektivität über ihre Identitätsnöte, während in Los Angeles einer zwar auch mitunter melancholisch war, aber über allen Fragen der Selbstfindung nie vergaß, das nächste Bier aufzumachen oder eine Wette auf einen Gaul zu setzen. Zugegebenermaßen greift manch einer heute wohl nur noch mit einem wissenden, milden Grinsen zu den ausgeblichenen Bukowski-Bänden im Regal: Kann man das noch mal lesen, „Kaputt in Hollywood“, „Fuck Machine“? Natürlich nicht. Bukowski war ein Goethe-Gegengift für die im Schwitzkasten der literarischen Erziehung steckenden Leser, eine Alternative zu Schiller oder Fontane, auch zu Peter Handke. Heute braucht man solch literarische Kraftmeier wie Bukowski eh nicht mehr, wo Sex die Bestsellerlisten beherrscht und verlotterte Machos keineswegs mehr geheime Wunsch-Ichs rebellischer Bürgersprösslinge sind.

Als er Ende der 70er in die Alte Welt reiste, wollte Heinrich Karl Bukowski, wie er eigentlich hieß, vor allem auch Andernach noch einmal besuchen, die rheinland-pfälzische Kleinstadt, in der er auf die Welt kam. Berühmtester Sohn der Stadt ist der Mann, der vor zwei Jahrzehnten in Kalifornien an Leukämie starb, geblieben. Es gibt dort, natürlich, eine Charles-Bukowski-Gesellschaft. Die ist, wie jetzt ruchbar wurde, auf die Verleger der späten Bukowski-Werke nicht gut zu sprechen.

Per Abgleich mit den Originalmanuskripten kam heraus, dass die späten Bukowskis geglättet wurden. Nicht mehr so viel Saufen und Rauchen. Der Zeitgeist, tja. Umso wichtiger, an den wahren Bukowski zu erinnern: Die Bukowski-Gesellschaft will den „zärtlichen Hurenbock“ („Die Welt“), den „Ober-Pornographen“ („Münchner Merkur“) im Sommer mit einer Ausstellung in Sulzbach-Rosenberg ehren. Gezeigt werden Erstauflagen, Gemälde, Zeichnungen, Fotos, Kuriositäten. Außerdem ist die Vorführung des Films „Bukowski in Hamburg“ geplant.